An der UNO-Flüchtlingskonferenz in Genf beklagten UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge die fehlende Solidarität der wohlhabenden Länder. Ban bezeichnete die Folgen des Syrien-Krieges als grösste Flüchtlingskrise unserer Zeit.
Ban Ki Moon forderte die entwickelten Staaten zur Aufnahme von fast einer halben Million syrischen Flüchtlingen binnen drei Jahren auf. Mindestens 480’000 Syrerinnen und Syrer sollten eine sichere Heimstatt ausserhalb der Nachbarländer Syriens finden, sagte Ban zur Eröffnung einer UNO-Flüchtlingskonferenz in Genf.
Angesichts der «grössten Flüchtlings- und Vertriebenenkrise unserer Zeit» forderte Ban eine «exponentielle Zunahme der globalen Solidarität». 480’000 Syrerinnen und Syrer, also zehn Prozent der insgesamt 4,8 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen, seien eine «relativ kleine Zahl», sagte Ban.
Nachbarländer zeigen aussergewöhnliche Gastfreundschaft
Die Nachbarländer Syriens hätten bereits «eine aussergewöhnliche Gastfreundschaft» gezeigt. So habe der Libanon mehr als eine Million Syrerinnen und Syrer aufgenommen, die Türkei mehr als 2,7 Millionen und Jordanien mehr als 600’000.
Nun sei es an der Zeit, dass auch andere Länder einen Beitrag leisten müssten. Für die Aufnahmeländer seien Flüchtlinge auch ein «Gewinn», erklärte Ban. Gerade in überalterten Gesellschaften könnten sie sich mit «neuen Talenten und neuen Erfahrungen» einbringen.
Bei der Konferenz unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen berieten ranghohe Vertreterinnen und Vertreter von 90 Staaten über eine gerechtere Verteilung der syrischen Flüchtlinge. Die Schweiz ist vertreten durch Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration.
Vergleichsweise wenig Flüchtlinge in Europa
Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR haben seit Beginn des bewaffneten Konflikts in Syrien vor fünf Jahren 4,8 Millionen Syrerinnen und Syrer ihr Land verlassen.
Nach Angaben von Oxfam fand jedoch nur ein Bruchteil der Flüchtlinge Zuflucht in reichen Ländern. Seit 2013 waren es gemäss einer Zählung der Hilfsorganisation 67’100, was lediglich 1,39 Prozent der insgesamt 4,8 Millionen Flüchtlinge entspricht.
Der UNO-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi sagte während der Konferenz, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Syriens Nachbarländern seien «zusehends schwierig». 90 Prozent der syrischen Flüchtlinge lebten unter der Armutsgrenze. Mindestens zehn Prozent würden als «äusserst verletzbar» eingestuft.
Kaum konkrete Zusagen
Konkrete Zusagen für eine Aufnahme von Flüchtlinge gab es von den 92 in Genf teilnehmenden Ländern bisher kaum: Lediglich Italien und Schweden versprachen die Aufnahme von zusätzlich 1500 beziehungsweise 3000 Flüchtlingen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.
US-Vizeaussenministerin Heather Higginbottom wiederholte zudem das bereits von Präsident Barack Obama gemachte Bekenntnis zur Aufnahme von 10’000 zusätzlichen Schutzsuchenden bis Ende September. Entsprechende Vorbereitungen seien bereits am Laufen, so Higginbottom.
Barrieren und Rückschaffungen
Derweil versperrten diverse Länder entlang der sogenannten Balkanroute für die via die Türkei nach Griechenland einreisenden Flüchtlinge den Zugang nach Westeuropa. So stauen sich 12’000 Menschen an der geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze.
Ab April sollen alle Flüchtlinge, die nach dem 20. März von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ohne die völkerrechtlich nötige Einzelfallprüfung in die Türkei zurückgeschafft werden. Im Gegenzug dürften – so der umstrittene Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei – ausgewählte Flüchtlinge aus der Türkei direkt nach Europa einreisen.
Guter Anfang – mehr nicht
Das UNHCR hofft auf weitere substanzielle Resettlement-Zusagen bis zum globalen UNO-Flüchtlingsgipfel im September in New York. Dies dürfe aber kein Ersatz für die Aufnahme von Flüchtlingen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sein, betonte Flüchtlingshochkommissar Grandi, der auch auf den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei Bezug nahm.
«Wir können nicht auf eine weltweite Flüchtlingskrise reagieren, indem wir die Türen schliessen und Barrieren errichten», zitierte ihn die Nachrichtenagentur AFP. Positiver gab sich UNO-Generalsekretär Ban. Beim Abkommen handle es sich um «einen guten Anfang», den er «wirklich begrüsse».