Genau 18 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica ist die Anklage gegen den mutmasslichen Hauptschuldigen des Massakers, Radovan Karadzic, deutlich erweitert worden: Der ehemalige Serbenführer muss sich nun doch für weitere Völkermord-Anklagen verantworten.
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien hob am Donnerstag in Den Haag einen Teilfreispruch für den Serbenführer auf. Der 68-Jährige muss sich nun sowohl für das Massaker in Srebrenica 1995 als auch für Völkermord in ehemaligen Gefangenenlagern im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 verantworten.
In erster Instanz hatten die Richter mehrere Anklagepunkte im vergangenen Jahr aus Mangel an Beweisen gestrichen. Nur die Anklage wegen Völkermordes in der damaligen UNO-Schutzzone Srebrenica 1995 blieb bestehen. Die Anklage hatte daraufhin Berufung eingelegt und bekam nun Recht. «Das vorliegende Beweismaterial kann zeigen, dass Karadzic Völkermord-Absichten hatte», erklärte der Vorsitzende Richter der Berufungskammer, Theodor Meron.
Der ehemalige Psychiater ist nun wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Punkten angeklagt. Die Anklage will beweisen, dass auch bosnische Muslime und Kroaten in den Lagern Omarska, Keraterm und Trnopolje Opfer von Völkermord wurden. Karadzic war 2008 nach 13 Jahren auf der Flucht in Belgrad festgenommen worden.
Beisetzung Exhumierter
Das Urteil der Berufungsrichter fiel am selben Tag, als Tausende in Bosnien an die Tragödie von Srebrenica erinnerten. In der ostbosnischen Stadt gedachten Familienangehörige, Politiker sowie ausländische Diplomaten der bis zu 8000 Opfer des Massakers vor 18 Jahren.
In der Gedenkstätte Potocari vor den Toren der Stadt wurden die Särge von 409 Getöteten zur Bestattung vorbereitet. Sie wurden im vergangenen Jahr aus über 70 Massengräbern exhumiert.
Unter den Opfern waren 44 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sowie ein nur wenige Stunden altes Baby. Internationale Gerichte hatten das schwerste Kriegsverbrechen in Europa nach 1945, das von bosnisch-serbischen Verbänden verübt worden war, als Völkermord klassifiziert.
Der Stadtpräsident von Srebrenica, Camil Durakovic, rief die Trauernden auf, trotz des unermesslichen Leids nicht die Zukunft zu vergessen. «Helfen Sie, dass Srebrenica ein Ort der Prosperität, des Friedens und der Toleranz wird, damit es ein Beispiel dafür wird, dass sich das nie mehr wiederholt», sagte der Politiker.