Unsichtbare Grenzen – Von der Breite bis zur St. Alban-Vorstadt

Ein Spaziergang von der Breite über das St. Alban-Tal bis zur St. Alban Vorstadt macht die Übergangszone vom Arbeiterviertel bis zur mittelalterlichen Altstadt erfahrbar. Die Überreste der Stadtmauer markieren die heute fast unsichtbaren Grenzen. Eigenwillige Neubauten beginnen in Richtung Stadtzentrum zu dominieren und mischen die klaren Strukturen auf. Das Arbeiterwohnviertel im Breitequartier liegt entlang dem […]

Die herrschaflichen Häuser in der St. Alban-Vorstadt

Ein Spaziergang von der Breite über das St. Alban-Tal bis zur St. Alban Vorstadt macht die Übergangszone vom Arbeiterviertel bis zur mittelalterlichen Altstadt erfahrbar. Die Überreste der Stadtmauer markieren die heute fast unsichtbaren Grenzen. Eigenwillige Neubauten beginnen in Richtung Stadtzentrum zu dominieren und mischen die klaren Strukturen auf.

Das Arbeiterwohnviertel im Breitequartier liegt entlang dem Rhein zwischen Birsfelden und den alten Stadtmauern. Für eine Einführung ins Breitequartier lohnt es sich, den Blogeintrag unserer «Stadtflaneur»-Kolleginnen anzuschauen. Nach diesem Auftakt zeigt nun ein Spaziergang in Richtung Basler Altstadt eine andere Seite. Verlässt man die Breite, und schreitet an den Überresten der Basler Stadtmauer vorbei, so erreicht man ein Quartier mit einer Geschichte, die weit zurückgeht. Von einer Wohngegend gelangt man in eine verschachtelte Anordnung von unterschiedlichen Gebäuden. Diese mittelalterlichen Bauten zeugen von Beständigkeit und Alter. Die Stadtmauer grenzte die Hauptfunktionen der beiden Quartiere ab, aber nun ist dem nicht mehr so. Welchen Einfluss hatte die Öffnung der Mauer?

Spaziert man durchs St. Alban-Tal, so passiert man die alte Papiermühle, mittelalterliche Gebäude und das St. Alban Kloster. Mit dem ältesten Kloster in Basel belegt dieses Gebiet seine historische Vergangenheit. Unweit davon findet man den Maja Sacher-Platz, benannt nach der Stifterin des Museums für Gegenwartskunst, das an den Platz angrenzt. Mit der Glas-Stahl-Konstruktion bildet dieses Museum einen starken Kontrast zu den dominierenden mittelalterlichen Bauten. Es scheint fast als ob die geschliffene Mauer nun keine Grenze mehr darstellt und modernere Gebäude Einlass in die mittelalterliche Vorstadt finden.

Museum für Gegenwartskunst

Basels Interesse an Kunst und der hohe Anspruch an Qualität, zusammen mit der Notwendigkeit neuer Räume für die langfristige Leihgabe von Conte Panzas Minimal und Conceptual Art, forderte im Jahr 1979 den Bau eines neuen Museums. Die beteiligten Parteien am Bau des Museums für Gegenwartskunst waren die Stifterin Maja Sacher-Stehlin in Verbindung mit der Emanuel Hoffmann-Stiftung, und die Christoph Merian Stiftung mit dem Kunstmuseum als die beschenkte Partei. Die Stadt stellte die ehemaligen Stoecklin’sche Papierfabrik am St. Albantal 2 und Mühleberg 24 zur Verfügung. Die Architekten Wilfried und Katharina Steib verstanden es den Altbau so umzugestalten, dass er sich rücksichtsvoll in das Gefüge des Altstadtquartiers einfügt, gleichzeitig aber auch einen selbstbewussten Kontrast darstellt.

Die Moderne hält Einzug in das mittelalterliche Altstadtquartier und verfeinert so den Kontrast zur «Breiti». Die Grenzen verschwimmen einerseits mit den kaum sichtbaren Überresten der Stadtmauer und anderseits mit der Durchmischung des architektonischen Aussenbildes, das sich der moderneren «Breiti» anpasst. Der rein historische Kern wird verkleinert und passt sich an den Aussenrändern dem modernen Baustil an.

Bergauf in die St. Alban-Vorstadt

Geht man am Museum für Gegenwartskunst vorbei, erklimmt den Mühlenberg und läuft durch die St. Alban-Vorstadt in Richtung Wettsteinbrücke, so steht man plötzlich vor einer riesigen Baustelle. Lange Zeit konnte sich dieses Gebiet, vielleicht durch den Höhenunterschied, davor bewahren, zu einer Übergangszone zu werden. Doch nun entsteht wieder ein neues Museum, der Erweiterungsbau des Kunstmuseums, und wieder bricht er mit dem Bild der mittelalterlichen Fassaden der Umgebung. Wiederholt sich hier die Situation von 1980 nun einfach auf einer Etage weiter oben und radial etwas näher zum Stadtzentrum?

Der Neubau soll vor allem für Sonderausstellungen genutzt werden. Ziel der Architekten Christ & Gantenbein ist es, dass der Backsteinbau einerseits für sich steht, andererseits aber auch in einer Paarkonstellation im Zusammenhang mit dem bereits bestehenden Baus und so mit dem Hauptgebäude des Kunstmuseums kommuniziert. Unterirdisch wird es eine Verbindung der beiden Museumsgebäude geben. Der Kanton Basel-Stadt steuert 50 Millionen Franken zur Verwirklichung des Baus bei. Die andere Hälfte und der Landerwerb werden durch die Laurenz-Stiftung von Maja Oeri, der Enkelin von Maja Sacher-Stehlin, ermöglicht. So bleibt also die massgebliche Beteiligung der Neuschaffung eines Museumsbaus im St. Alban Quartier in der Familie und schafft so neuen Platz für mehr Kultur.

Doch was bedeuten solch immense Schenkungen für die Museen selbst? Vor allem in frühen Jahren konnten die Mäzene mit ihrem Einfluss den Bestand der jeweiligen Museen steuern. An dieser Stelle zu nennen wäre zum Beispiel Emilie Linder, Tochter einer reichen Basler Grossbürgerfamilie, die mit ihren Schenkungen die Basler Kunstsammlung und ihre Ankaufpolitik nachhaltig beeinflusste. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass die Museumsbehörden die Schenkungspraxis der Mäzene steuern. Kritischer sieht das jedoch der Historiker Philipp Sarasin der in seinem Aufsatz Stiften und Schenken in Basel im 19. und 20. Jahrhundert (1998) schreibt, dass die Mäzene immer mit Kalkül politisch handeln und mit ihrer Machtdemonstration eine «bestimmte Rolle des Bürgers im Verhältnis zum Staat» konstruieren.

Sehen lernen beim Flanieren?

Das historische, mittelalterliche Zentrum von Basel wird demnächst weiter zurückgedrängt und die Übergangszone des St. Alban-Tals erreicht nun die St. Alban-Vorstadt. Die Stadt Basel wird von aussen her radial modernisiert und verändert das Stadtbild zu einer fortschrittlichen, sich entwickelnden Stadt, die nicht mehr nur von der historischen Dimension lebt. Dadurch entstehen neue, aber unsichtbare Grenzen, die vor allem beim aufmerksamen Flanieren durch die Quartiere deutlich werden.

Die Bemerkungen des grossen Flaneurs Walter Benjamin (aus dem «Passagenwerk») könnten heute geschrieben worden sein – und auf die Breite und das St. Alban passen sie allemal: «Die Stadt ist nur scheinbar gleichförmig. (…). Nirgends, es sei denn in Träumen, ist noch ursprünglicher das Phänomen der Grenze zu erfahren als in Städten. Sie kennen, heisst jene Linien, die längs der Eisenbahnunterführungen, quer durch Häuser, innerhalb des Parks, am Ufer des Flusses entlang als Grenzscheiden verlaufen, wissen; heisst diese Grenzen wie auch die Enklaven der verschiedenen Gebiete kennen. Als Schwelle zieht die Grenze über Strassen; ein neuer Rayon fängt an wie ein Schritt ins Leere; als sei man auf eine tiefe Stufe getreten, die man nicht sah.»

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