Überraschung am Zürcher Theater Neumarkt: In der inszenierten Gerichtsshow «Die Zürcher Prozesse» ist die «Weltwoche» vom Vorwurf der Panikmache, der Diffamierung und der Diskriminierung freigesprochen worden.
Ein grosser Teil des Publikums hatte offensichtlich etwas anderes erwartet. Die Sprecherin der Geschworenen begründete das deutliche 6 zu 1-Urteil im Fussballjargon. Der Ball habe die Linie zwar erreicht, aber nicht überschritten, sagte sie.
Der Leser müsse sich der Position der «Weltwoche» natürlich bewusst sein, aber strafbar gemacht habe sich das Blatt wegen seiner Art zu arbeiten nicht. Ein anderer Geschworener bezeichnete «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel zwar als «Brunnenvergifter», aber das reiche nicht für einen Schuldspruch.
Folgen hätte aber auch ein Urteil nicht gehabt. Die «Zürcher Prozesse» haben keinerlei strafrechtliche Relevanz und sind gemäss Regisseur Milo Rau nur als gesellschaftliches Zeichen zu werten.
Wie während des fast 15 Stunden dauernden Prozesses offensichtlich wurde, wünschten sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer ein anderes Ergebnis. Die Unmutsbekundungen, wenn ein «Weltwoche»-Mitarbeiter oder ein SVP-Vertreter aussagten, waren unüberhörbar.
Spontanen Applaus gab es jeweils nur für die Ankläger und jene Experten, die die «Weltwoche» und deren Verleger Roger Köppel am liebsten geteert und gefedert gesehen hätten. Mehrmals musste die Richterin mit ihrem Hämmerchen für Ruhe im Saal sorgen.
Meinungsfreiheit kontra verletzte Gefühle
Doch die Anklage, vertreten durch den Anwalt Marc Spescha und den österreichischen Journalisten Robert Misik, konnte offenbar bei den sieben Geschworenen nicht punkten. Die sieben Bürgerinnen und Bürger werteten die absolute Meinungsfreiheit höher als verletzte Gefühle.
Diskutiert wurden seit Freitag verschiedene umstrittene Texte und Bilder, die in der «Weltwoche» erschienen waren, darunter mehrere islamkritische Artikel, das Titelblatt mit dem Roma-Jungen und die Artikelreihe über Sozialhilfebetrug in der Stadt Zürich.
Die Anklagepunkte lauteten «Schreckung der Bevölkerung», «Verstoss gegen das Antirassismusgesetz» und «Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung.» Inszeniert wurde das Stück von Milo Rau, der im Vorfeld die Befürchtung geäussert hatte, dass es «manchmal auch etwas langweilig werden könnte».
Echter Köppel will nicht vor falsches Gericht
Seine Befürchtung war unbegründet. Die Redezeitbeschränkung und die grosse Zahl an Zeugen und Experten liessen langweilige Monologe gar nicht zu. Dass der inszenierte Gerichtsprozess bei der «Weltwoche» zu Veränderungen führt, ist unwahrscheinlich.
Redaktor Alex Baur kündigte bereits vor dem Freispruch an, dass er seine Arbeit genau gleich weiterführen werde wie bis anhin. Verleger Roger Köppel nahm am fiktionalen Prozess nicht teil. Der wahre Köppel stelle sich nicht vor ein falsches Gericht, begründete er sein Fehlen.