Heute wird das Bundesstrafgericht in Bellinzona zum ersten Mal über eine Gruppe von mutmasslichen IS-Unterstützern urteilen. Die Bundesanwaltschaft fordert lange Haftstrafen, und die Verteidigung plädiert für Freisprüche in den Hauptanklagepunkten.
Den vier angeklagten Irakern wird vorgeworfen, die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) unterstützt zu haben oder daran beteiligt gewesen zu sein. Die viertägige Hauptverhandlung war durch und durch geprägt von der Auseinandersetzung mit den Chat-Gesprächen, auf denen die Anklage beruhte.
Gemäss der Bundesanwaltschaft (BA) zeigen diese Gespräche auf, dass die vier Iraker versucht haben, Informationen, Material und Personal in die Schweiz zu bringen, die für die Durchführung eines Anschlags notwendig sind. Ein Anschlagsplan war gemäss der Bundesanwaltschaft bereits «klar initialisiert» worden.
Anschlagsvorbereitung mittels Codewörter
Die mutmasslichen Terroristen sollen in den Chats mit den mutmasslichen Terroristen Codewörter benutzt haben, um ihre Kommunikation zu verschlüsseln. So soll «Brot backen» für Bomben bauen oder «Wassermelonen» für Bomben gestanden haben. Dem im Rollstuhl sitzenden Hauptangeklagten wurde unter anderem vorgeworfen, einem Unterstützer des IS, Abu Hajer, geholfen zu haben.
Für die vier Männer im Alter von 29 bis 35 Jahren forderte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft Freiheitsstrafen von 2,5 bis 7,5 Jahren – die niedrigste Strafe ist mit der Einschränkung versehen, dass zwei Jahre bedingt verbüsst werden müssen.
Alle anderen Strafen sind unbedingt zu vollziehen. Drei der Männer befinden sich bereits seit beinahe zwei Jahren in Polizei- und Untersuchungshaft, was auf die mögliche Haftstrafe angerechnet wird.
Verteidigung: Freiheitskampf statt Terrorplanung
Die Verteidigung sah die Chatgespräche dagegen in einem gänzlich anderen Licht und beantragte Freisprüche im Hauptanklagepunkt. Lediglich im Zusammenhang mit der Verletzung des Ausländergesetzes machten die Anwälte der Inhaftierten Schuldeingeständnisse und beantragten bedingte Geldstrafen zwischen 40 und 120 Tagessätzen.
Laut dem Verteidiger des querschnittgelähmten Hauptangeklagten sind die Codewörter unter anderem benutzt worden, um Informationen zu Geheimgefängnissen des ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki in die Schweiz zu schmuggeln. Damit sollten eine Kampagne lanciert und die Gräueltaten dieser Regierung belegt werden.
Diese Version wurde von keinem der drei anderen Verteidiger aufgegriffen. Sie versuchten vielmehr, die ihren Klienten vorgeworfenen Handlungen und Aussagen so zu «lesen», dass sie nicht als Unterstützung einer kriminellen Organisation gelten können.
Zeitpunkt des Zugriffs als Herausforderung
Die Strafverfolgungsbehörden stellte der Fall der mutmasslichen IS-Unterstützer vor eine zentrale Herausforderung: Einerseits hätten sie rechtzeitig zugreifen müssen, da der Schutz der Bevölkerung in der Schweiz an erster Stelle stehe, wie die Staatsanwältin des Bundes in ihrem Plädoyer ausführte. Andererseits hätten sie aber zugleich das Risiko eingehen müssen, dass ein frühzeitiger Zugriff die spätere Beweisführung erschwere.