Angesichts der Vertreibung zehntausender Christen und Jesiden im Nordirak haben die USA mit Luftangriffen gegen die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahe der Kurden-Hauptstadt Erbil begonnen. US-Präsident Barack Obama hatte die Luftschläge angeordnet.
Flugzeuge hätten Artilleriegeschütze von IS-Extremisten angegriffen, teilte John Kirby vom Verteidigungsministerium in Washington am Freitag mit. Die Geschütze seien verwendet worden, um kurdische Kräfte nahe der Stadt Erbil anzugreifen. Auch US-Soldaten hätten sich in der Nähe befunden.
Mit dem Militäreinsatz will Obama den Vormarsch der IS-Kämpfer auf Erbil stoppen. Dort haben US-Militärberater ein gemeinsames Einsatzzentrum mit der irakischen Armee eingerichtet, zudem gibt es dort ein US-Generalkonsulat.
Der US-Präsident kam zudem der Bitte der Regierung in Bagdad nach, die irakische Armee «wenn nötig» beim Schutz der ins Sindschar-Gebirge geflohenen Jesiden mit Luftangriffen zu unterstützen.
Darüber hinaus ordnete Obama den Abwurf von Hilfsgütern für die Jesiden an. Nach Regierungsangaben wurden bereits erste Ladungen abgeworfen. Die USA dürften nicht wegschauen, wenn ein Massaker oder gar ein Völkermord drohe, sagte Obama.
Religiöse Minderheit am Verhungern
Tausende Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden harren seit Tagen ohne Wasser und Nahrung in den kargen Bergen nördlich der Stadt Sindschar aus, die vergangenen Samstag von den sunnitischen Fanatikern erobert worden war.
Obama betonte, er werde keine neuen Kampftruppen in den Irak schicken. Der Präsident hatte Ende 2011 die letzten US-Truppen aus dem Irak abgezogen und damit den umstrittenen Militäreinsatz beendet, den sein Vorgänger George W. Bush mit der Invasion 2003 begonnen hatte.
Der britische Premier David Cameron begrüsste Obamas Entscheidung für Luftangriffe, eine Sprecherin betonte aber, London werde selbst nicht intervenieren.
Auch Frankreichs Präsident François Hollande begrüsste die Anordnung von Obama. «Frankreich wird mit den USA und all seinen Partnern die Massnahmen prüfen, die ergriffen werden könnten, um gemeinsam all die nötige Unterstützung zu leisten, um dem Leiden der Zivilbevölkerung ein Ende zu bereiten», fügte Hollande hinzu.
Mossul-Staudamm von Dschihadisten erobert
Im Irak setzten die Dschihadisten unterdessen ihren Vormarsch fort. IS-Kämpfer eroberten den grössten Staudamm des Landes und erlangten damit die Kontrolle über die Wasser- und Stromversorgung weiter Landesteile. Der Mossul-Staudamm sei nach heftigen Kämpfen in die Hand der Dschihadisten gefallen, sagte der Provinzratsvorsitzende von Ninive.
Die IS-Milizen könnten nun riesigen Gebieten am Tigris das Wasser abstellen und zahlreichen Städten den Strom abdrehen. Sollten sie gar den Damm sprengen, wie Anfang des Jahres bei einem anderen Sperrwerk bei Falludscha geschehen, droht nach Angaben von Experten eine riesige Flutwelle mit weitflächigen Überschwemmungen bis hin nach Bagdad.
Allerdings liefert das Kraftwerk auch den Strom für die nordirakische Metropole Mossul, wo die Dschihadisten ihr Hauptquartier eingerichtet haben.
UNO-Sicherheitsrat «schockiert»
Der UNO-Sicherheitsrat in New York rief in einer Erklärung dazu auf, die irakische Regierung bei der Bewältigung der humanitären Krise zu unterstützen und zeigte sich «schockiert» über das Schicksal der Jesiden und Christen.
Auch Papst Franziskus rief zum Schutz der bedrohten Minderheiten auf. Am Freitag entsandte er den Kardinal Fernando Filoni in den Nordirak, um den bedrohten Christen die Solidarität der Kirche zu bezeugen.
Unterdessen geht der innenpolitische Machtkampf im Irak weiter. Der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Malaki beharrt darauf, auch weiterhin die Regierung zu führen. Viele Sunniten werfen ihm jedoch vor, ihre Minderheit systematisch auszugrenzen. Die IS-Terror-Milizen werden daher teilweise auch von moderaten sunnitischen Gruppen unterstützt.