Die USA führen den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nun auch in Syrien. Zusammen mit arabischen Verbündeten flogen sie die ersten Luftangriffe.
Das US-Militär und Luftstreitkräfte von Partnerländern griffen in der Nacht auf Dienstag erstmals IS-Stellungen vor allem in und um Rakka, Deir al-Sor, Hasakah und Albu Kamal mit Kampfjets und Bombern an, wie Pentagonsprecher John Kirby mitteilte. Den Befehl hatte US-Präsident Barack Obama gegeben. Insgesamt wurden 14 Luftschläge gegen den IS geflogen.
Zu den Angriffszielen gehörten Kämpfer des IS, deren Ausbildungsstätten, Kommandostellen, Kommunikationsmittel, Depots, ein Finanzzentrum sowie Fahrzeuge. Bahrain, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hätten sich an der Militäraktion beteiligt oder sie unterstützt. Die NATO erklärte, sie sei an den Militäraktionen in Syrien nicht beteiligt.
Zahlreiche Kämpfer getötet
Die oppositionsnahe Syrische Beobachtergruppe für Menschenrechte bezifferte die Zahl der Toten und Verletzten auf über 300. Mindestens 70 IS-Kämpfer seien bei den Luftangriffen getötet worden, sagte der Chef der Organisation, Rami Abdel Rahman. Vermutlich liege die Zahl aber noch viel höher. Die IS-Miliz kündigte Vergeltung für die Luftangriffe an.
US-Flugzeuge griffen auch andere Milizen-Gruppen an. So wurden US-Angaben zufolge Stellungen der militanten Al-Nusra-Front beschossen, die der Al-Kaida nahesteht. Westlich von Aleppo wurden acht Ziele der Chorasan-Gruppierung bombardiert.
US-Präsident Barack Obama kündigte am Dienstag in Washington an, dass der Kampf gegen den IS weitergehe. Die gemeinsame Militäraktion mit fünf arabischen Staaten in Syrien zeige, dass Amerika in diesem Kampf nicht allein stehe.
Obama hatte vor zwei Wochen angekündigt, die Luftangriffe vom Irak auf Syrien auszuweiten, um den IS zu zerstören. Die US-Luftwaffe flog seit Anfang August bereits rund 200 Angriffe gegen die Dschihadisten im Irak. Inzwischen schloss sich auch Frankreich den Einsätzen im Irak an.
Russland protestiert
Über die Luftangriffe auf mutmassliche IS-Stellungen hatte Washington die syrische Führung nach eigenen Angaben nicht vorab unterrichtet. Die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Jen Psaki, erklärte am Dienstag, Damaskus sei «nicht um Erlaubnis gefragt» worden. Sie widersprach damit syrischen Regierungsangaben, wonach Damaskus über die US-Luftschläge informiert worden sei.
Die syrische Opposition begrüsste die Luftoffensive. Die Weltgemeinschaft sei damit «in unseren Kampf gegen IS eingetreten», teilte die Syrische Nationale Koalition mit.
Russland kritisierte hingegen die Luftangriffe der USA in Syrien als Verstoss gegen das Völkerrecht. Für einen solchen Militäreinsatz sei eine Zustimmung der syrischen Regierung oder ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates notwendig, teilte das Aussenministerium in Moskau mit. Der eigenmächtige Beschluss der USA und ihrer Verbündeten schüre Spannungen und destabilisiere die Region.
Massenflucht in die Türkei
Die Türkei bereitet sich derweil angesichts des Vormarsches des IS auf eine weitere Massenflucht von Syrern vor. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte dem türkischen Sender NTV, mehr als 138’000 Flüchtlinge hätten die Grenze seit deren Öffnung am Freitag passiert.
Das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) teilte mit, die Türkei müsse sich auf Hunderttausende syrische Flüchtlinge einstellen. Das UNHCR schätzt, dass fast die gesamte Bevölkerung der umkämpften kurdischen Enklave Ain al-Arab (kurdisch: Kobane) an der Grenze zur Türkei sowie weitere 200’000 syrische Vertriebene, die sich in der Stadt befänden, auf der Flucht sind.
Nach den US-Luftangriffen auf Rakka setzte auch dort eine Fluchtwelle ein. Bisher haben insgesamt rund 1,5 Millionen Menschen vor allem aus Syrien in der Türkei Zuflucht gesucht. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk wird am Mittwoch weitere Hilfsgüter in die Region bringen.
Israel schiesst Flugzeug ab
Auf den von Israel und Syrien beanspruchten Golanhöhen schossen israelische Streitkräfte mit einer Patriot-Rakete ein syrisches Kampfflugzeug ab. Der Jet sei in den israelischen Luftraum eingedrungen, sagte ein Armeesprecher. Der Pilot konnte mit dem Fallschirm abspringen.