Usain Bolt will am Zuckerhut sein persönliches Triple-Triple perfekt machen. Der dritte Gold-Hattrick über 100 m, 200 m und 4×100 m in Serie winkt.
Usain Bolt weiss sich bestens auf der grossen Bühne zu inszenieren. Seine Blitz-Pose kennt jedes Kind, dafür lieben ihn die Zuschauer. Der Jamaikaner liebt die grossen Auftritte. In Rio de Janeiro kommt ihm einmal mehr maximale Aufmerksamkeit zu. «Ich will für die Leichtathletik das sein, was Muhammad Ali fürs Boxen ist», sagte Bolt diese Woche in einem Interview mit dem Magazin «Stern». «Wenn ich mal aufhöre, will ich etwas Einmaliges hinterlassen, und die Menschen sollen mit Ehrfurcht von mir sprechen.»
Doch der Zahn der Zeit nagt am 29-jährigen Sprinter. Bereits im vergangenen Sommer und auch zu Beginn dieser Saison schien ihm die Zeit davon zu rennen. Diverse Verletzungen plagten das Aushängeschild der Leichtathletik. 2015 kam Bolt just auf die Weltmeisterschaften in Peking noch in jene Form, die ihm als «Aussenseiter» einen hauchdünnen Sieg über seinen Dauerrivalen Justin Gatlin ermöglichte.
Auch dieses Jahr verlief nicht störungsfrei. An den nationalen Meisterschaften gab er nach dem 100-m-Halbfinal Forfait. Nur dank einer Ausnahmeregelung schaffte er die Selektion für Rio. Erst beim Diamond-League-Meeting in London zwei Wochen vor Beginn der Spiele erlief sich der Jamaikaner den vom Verband geforderten Leistungsnachweis. Derzeit führt er weder die Jahresweltbestenliste über 100 m noch über 200 m an.
Gleichwohl: Die meisten Experten gehen davon aus, dass Rio de Janeiro einen stärkeren Bolt sieht als vor Jahresfrist in Peking. Der jamaikanische Weltrekordhalter versicherte diese Woche bei einem Medientermin denn auch in lockerer Manier, dass seine Muskelverletzung ausgestanden sei. Den Beweis kann er in der Nacht auf Montag erbringen. Mit dem 100-m-Final steht einer der Höhepunkte der Olympischen Spiele an. Das Duell gegen Gatlin verspricht Spektakel. Bolt könnte zum dritten Mal in Folge die Goldmedaille in der prestigeträchtigsten Leichtathletik-Disziplin gewinnen, der Amerikaner würde 12 Jahre und zwei Dopingsperren nach Athen 2004 wieder einen Olympiasieg feiern.
Bolt setzte an der Pressekonferenz noch einen drauf. Es sprach nicht nur vom Sieg, sondern auch von Rekorden. «Ich will wieder die Grenzen verschieben», sagte er. «Ich bin bereit, Grosses zu leisten. Ich traue mir in diesem Jahr einen Weltrekord über 200 m zu. Mein Körper sagt jedenfalls: Ja, das geht.» Bolt hatte vor sieben Jahren bei den Weltmeisterschaften in Berlin die Fabel-Weltrekorde über 100 m (9,58 Sekunden) und 200 m (19,19) aufgestellt.
Über 100 m glaubt er nicht, dass er an seine bisherige Bestmarke herankommen kann. «Die 100 m verlangen nach absoluter Perfektion», erklärte der sechsfache Olympiasieger. «Die 200 m sind gnädiger. Da kann man unterwegs einiges korrigieren, was man vorher möglicherweise falsch gemacht hat.»
Läuft Bolt in der Nacht auf Montag als Erster über die Ziellinie, ist die erste grosse Hürde genommen. Der Weg zu einer neuen Rekordmarke wäre frei gemacht. Mit neun Goldmedaillen würde er zum Finnen Paavo Nurmi und dem Amerikaner Carl Lewis aufschliessen, die die erfolgreichsten Leichtathleten der Olympiageschichte sind. Der grossen Bolt-Show stünde kaum mehr etwas im Weg, auch wenn Jamaikas 4×100-m-Staffel nicht mehr überlegen ist. Die Zuschauer würden ihn zu weiteren Siegen tragen. «Ich liebe es, wenn die Menschen mich lieben», sagte Bolt. «Das gibt mir Motivation. Ich bin ein Läufer, aber ich bin auch ein Entertainer. Ich brauche das Publikum.»