Im Kanton Graubünden ist es am Montag erneut zu einem tödlichen Lawinenunfall gekommen. Im Val Segnas oberhalb von Disentis löste ein Varianten-Skifahrer eine Lawine aus, die ihn selber erfasste und begrub, wie die Bündner Polizei auf Anfrage bekannt gab.
Die Begleiterin des Mannes sowie eine Gruppe von Variantenfahrern, die zufälligerweise in der Nähe war, konnten den Verschütteten orten. Doch der 51-Jährige konnte nur noch tot aus den Schneemassen befreit werden.
Der Unfall ereignete sich auf einer Höhe von etwa 1900 Metern ausserhalb der markierten Pisten. Der Mann wurde von der Lawine rund 150 Meter in die Tiefe gerissen.
Der Verschüttete war mit einem Lawinenverschüttetensuchgerät ausgerüstet gewesen, wie die Kantonspolizei Graubünden mitteilte. Der Mann habe zudem einen Airbag getragen, der auch ausgelöst worden sei. Das Val Segnas gehört in Disentis zu den klassischen Freeride-Abfahrten.
Bei Nendaz im Kanton Wallis wurde am Montagnachmittag ein weiterer Skifahrer von einer Lawine mitgerissen und verletzt, wie die Polizei am Abend mitteilte. Der Genfer gehörte einer Gruppe von sieben Skifahrern an, die ebenfalls ausserhalb der markierten Pisten unterwegs war.
Seine Begleiter, die von der Lawine verschont blieben, konnten den Verschütteten bergen. Er wurde mit Verletzungen an der Schulter ins Spital gebracht.
In Graubünden war es erst am Wochenende zum bisher schwersten Lawinenunglück dieses Winters gekommen. An der Ostflanke des Piz Vilan war am Samstag eine neunköpfige Skitouren-Gruppe des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) aus dem Raum Zürich/Aargau in eine Lawine geraten. Fünf Tourengänger kamen ums Leben.
Touren mit Einschränkungen möglich
Ueli Mosimann von der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) sprach von einer statistisch ungewöhnlichen Häufung von Unfällen. Alle Unglücke vom Wochenende hätten sich bei der Gefahrenstufe 3 «Erheblich» ereignet, sagte er auf Anfrage.
«In dieser Situation sind Skitouren mit gewissen Einschränkungen möglich, etwa wenn man steile Hänge meidet», sagte er. Tourengänger müssten zudem die Gefahrenlage vor Ort beurteilen können, und das sei nicht immer einfach. Wegen des verspäteten Winteranfangs sei die Schneedecke vor allem im Wallis und in Graubünden schlecht aufgebaut.
Auf die Frage, ob Skifahrer abseits der Pisten leichtsinniger sind als früher, forderte Mosimann eine Differenzierung: SAC-Gruppen wie jene, die am Samstag am Piz Vilan im Prättigau verunglückte, seien gut ausgebildet. Die SAC-Tourenleiter würden sich mit dem Einschätzen der Lage bei der Warnstufe 3 gut auskennen.
Die Zahl der Skitourengänger habe sich in den letzten 30 Jahren vervierfacht, fuhr Mosimann fort. Die Zahl der tödlichen Lawinenunglücke sei dagegen in etwa stabil geblieben. «Man kann also nicht bestätigen, dass die Menschen unvorsichtiger sind.»
«Völlig unvorbereitet»
Anders beurteilt Mosimann das Vorgehen von Freeridern. «Sie fahren mit einer Bahn hinauf in hochalpines Gelände und dann völlig ohne Vorbereitung, ohne den Hang beim Aufstieg beurteilt zu haben, wieder hinunter.»
Lawinenexperte Werner Munter ist nicht erstaunt über die Opferbilanz des Wochenendes, wie er der Zeitung «Le Matin» in einem Interview sagte. Skifahrer würden in Unkenntnis der Lawinensituation zu hohe Risiken eingehen. Und gerade in der «Generation Selfie» sei die Einstellung verbreitet, immer alles zu wollen, sofort.
Hilfsmittel wie Lawinenverschüttetensuchgeräte (LVS) oder Airbags vermittelten Skifahrern den Eindruck des «Null-Risikos». Heutige Skimodelle erlaubten auch weniger Geübten Abfahrten, die früher nur ausgezeichnete Techniker gemeistert hätten. Er plädiert deshalb für mehr Prävention. Denn: «Der Schnee macht gewisse Skifahrer verrückt.»
Im laufenden Winter sind bisher 19 Menschen ums Leben gekommen, davon acht bei vier Unfällen am Samstag. Acht der insgesamt 19 Getöteten verunglückten auf einer Variantenabfahrt, wie der Statistik des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zu entnehmen ist.