20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda wird erstmals in Frankreich einem mutmasslichen Verantwortlichen des Genozids der Prozess gemacht. Vor einem Pariser Schwurgericht begann am Dienstag der Prozess gegen den ruandischen Ex-Offizier Pascal Simbikangwa.
Simbikangwa, der seit einem Unfall 1986 querschnittsgelähmt ist, wurde im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht. Der 54-Jährige stellte sich als früherer Hauptmann der ruandischen Armee und des ruandischen Geheimdienstes vor.
Simbikangwa soll laut Anklage zum Völkermord an der Minderheit der Tutsi aufgehetzt und diesen mitorganisiert haben, unter anderem indem er Milizen bewaffnet habe. Der Angeklagte, dem lebenslange Haft droht, weist die Vorwürfe zurück. Der Prozess ist auf sechs bis acht Wochen angesetzt.
Simbikangwas Anwälte kündigten am Dienstag an, eine Verfahrenseinstellung wegen ungleicher Bedingungen für Anklage und Verteidigung beantragen zu wollen. Die Anwälte kritisierten den Prozess zudem als politisch motiviert. 20 Jahre nach dem Völkermord solle nun offenbar «ein Exempel statuiert werden», sagte Anwalt Fabrice Epstein.
Völkermord in Ruanda
Die ruandische Regierung, die aus Tutsi-Rebellen hervorging, hatte Frankreich lange Zeit vorgeworfen, die Verantwortlichen des Völkermordes unterstützt zu haben. Nach einem mehrjährigen Bruch der diplomatischen Beziehungen haben sich beide Länder inzwischen wieder angenähert.
Beim Völkermord in Ruanda wurden innerhalb von nur rund 100 Tagen Schätzungen zufolge 800’000 Menschen getötet. Ausgelöst wurde der Genozid am 6. April 1994 durch einen tödlichen Anschlag auf Präsident Juvenal Habyarimana, einen Angehörigen des Mehrheitsvolks der Hutu. Die meisten Opfer des Völkermords waren Angehörige der Minderheit der Tutsi, aber auch viele moderate Hutu wurden getötet.
Simbikangwa bestreitet Mitverantwortung
Simbikangwa räumt ein, dem engsten Hutu-Führungszirkel nahegestanden zu haben, aus dem viele Mitglieder später wegen ihrer Rolle beim Völkermord verurteilt wurden. Eine Mitverantwortung an den Morden bestreitet er aber.
In dem Prozess sollen rund 30 ruandische Zeugen befragt werden, unter ihnen verurteilte Täter, die per Videokonferenz zugeschaltet werden.