Am 17. Oktober fand der «Welttag zur Überwindung von Armut» statt. Wie auch in den beiden letzten Jahren war Occupy Basel vor Ort, um den Kampf von Armutsbetroffenen zu unterstützen. Der folgende Artikel wurde in Form einer freien Rede eines Occupy-Aktivisten während der Kundgebung auf dem Claraplatz vorgetragen.
Vor wenigen Wochen hat Occupy Basel im Rahmen des dritten Geburtstages der globalen Occupy-Bewegung eine Aktion auf dem Barfüsserplatz durchgeführt. Das Hauptthema war «Occupy Basel zeigt Haltung», in Anlehnung an die Kampagne der Stadt Basel gegen die Diskriminierung von AusländerInnen, «Basel zeigt Haltung».
Dabei wurde der Kampagne grundsätzlich Unterstützung zugesagt, jedoch auch auf die Scheinheiligkeit der Exponenten der Kampagne hingewiesen: etwa jene von Regierungsrat Guy Morin.
Die Diskriminierung von Armutsbetroffenen und Randständigen ist ein Beispiel, das auch die Scheinheiligkeit der ganzen politischen Strukturen, welche hinter einer solchen Imagekampagne steckt, aufdeckt.
Brennende Fragen
Durch die weitere Beschäftigung mit der Scheinheiligkeit der heutigen Politik sowie deren VertreterInnen wollte es der Zufall, dass wir an einem Briefkasten vorbeigekommen sind, welcher PassantInnen dazu aufforderte, brennende Fragen einzuwerfen, um eine Antwort zu erhalten. Die Künstlerin Ana Montecucco hatte diesen aufgestellt, da sie nach mehrwöchigem Aufenthalt in der Schweiz keine Probleme angetroffen hatte und auf diese Art von den Sorgen der BaslerInnen hören wollte. Wir nutzten diese Gelegenheit um die folgende Frage zu stellen: «Wie kann die Scheinheiligkeit der Politik beendet werden?»
Vor kurzer Zeit erhielten wir eine künstlerisch sorgfältig ausgearbeitete Antwort zugestellt (Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4), welche in einigen Teilen äusserst bedenkenswert ist und gut zur Problematik der Verdrängung des Armutsproblems aus der Öffentlichkeit und somit zum heutigen Anlass passt, weshalb wir diese hier kurz besprechen wollen.
Makelloses Stadtbild ist Politikern wichtiger als herzhafte Taten
Darin wird eine Begründung der Scheinheiligkeit in der Politik im Verhalten der Menschen gesehen, welche Erscheinungen höher bewerten als Taten. Dadurch würden PolitikerInnen einen starken Anreiz erhalten sich scheinheilig und unehrlich zu verhalten. Am Beispiel der Armutsproblematik lässt sich dies passend aufzeigen: Wichtig sind ein makelloses Stadtbild, für die Beruhigung der Bevölkerung sowie für die touristische Präsentation. Herzhafte Taten welche den betroffenen Menschen helften treten in den Hintergrund, es bleiben schöne Worte und allenfalls Populismus gegen die wehrlosen Teile der Bevölkerung.
Als weiterer Aspekt wird genannt, dass Menschen dazu neigen die Handlungen von anderen Menschen stärker zu hinterfragen und zu kritisieren als ihre eigenen. Das Verhalten der «Basel zeigt Haltung»-Kampagnen-Exponenten ist dafür ein Paradebeispiel. Doch auch für uns von Occupy Basel liegt darin eine zentrale Frage, welche wir uns wiederholt stellen müssen bei der Planung und Umsetzung von Aktionen, bei welchen es sich oft um verschiedene Formen von Kritik handelt, aber auch in unserem täglichen Leben. Die Antworten darauf sind schwierig zu finden und kaum abschliessend zu formulieren.
Die wirklichen Ursachen der Probleme bekämpfen
Zusammengefasst sind oft die PolitikerInnen erfolgreich, welche die wirklichen Probleme verdrängen und dafür ihr eigenes Image pflegen, oder die die verschiedene Bevölkerungsteile gegeneinander aufzubringen versuchen. Für Occupy Basel ist es ein zentrales Anliegen, dass die Menschen nicht nach unten oder nach links oder rechts treten, sondern dass wir die wirklichen Ursachen der heutigen Probleme analysieren und gemeinsam zu bekämpfen versuchen. Dabei kann man leicht zum Schluss kommen, dass unsere Errungenschaften nicht von unten in Bedrängnis geraten, sondern von oben. Und auch dort existieren zahlreiche und grosse verdrängte Probleme!
Die gefährliche Profitsteigerung der Finazindustrie
Womit wir zu einem Kernthema unserer Bewegung kommen; der Finanzindustrie. Gerade aktuell steht ein ehemaliger Top-Manager der UBS in den USA vor Gericht wegen systematischer Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Prozess gegen Raoul Weil). Auch dieses Beispiel passt zu den besprochenen Aspekten: Zur Profit- und Bonisteigerung graben Manager von Banken den Staaten das existenzielle Steuersubstrat ab (was die Bevölkerung sehr schnell zu spüren kriegt bei den folgenden Budgetkürzungen). Fliegen diese illegalen Machenschaften auf und kommen auf den Tisch, ist allerdings nichts mehr von der hohen Verantwortung, welche als Begründung für die Millionen-Saläre genannt wird, zu sehen. Im Gegenteil, die Schuld wird auf die unteren Angestellten der Bank abgeschoben. Und kommt es zu einer weiteren Strafzahlung der UBS, wird diese ebenso wenig durch die abkassierenden Top-Manager bezahlt, sondern erneut von den SteuerzahlerInnen – Banken dürfen Strafzahlungen von den Steuern abziehen!
Auch der Kern des Finanzsystems, die Geldschöpfung, ist ein gutes Beispiel für ein massives verstecktes Problem mit verheerenden Folgen. Dies verleitete Henry Ford zur Aussage «Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh!.»
Vergabe von Krediten
So wird der grösste Teil der Geldmenge heute nicht mehr von den Nationalbanken durch den Druck von Noten und Münzen geschaffen, sondern von Privatbanken durch die Vergabe von Krediten. Neben der Anfälligkeit dieses Systems auf Bank-Runs, Inflation und Unregulierbarkeit der Geldmenge resultieren daraus bizarre Folgen: Der Staat ist gezwungen bei den Banken Kredite aufzunehmen, um grundlegende Staatsausgaben wie die Sozialhilfe bezahlen zu können.
Die Banken kassieren dafür hohe Zinsen, in der Schweiz jährlich 5 Milliarden, welche wiederum direkt bei den bedürftigen Empfängern eingespart werden müssen. Die Vollgeld-Initiative, welche von Occupy Basel tatkräftig unterstützt wird, korrigiert diese Problematik und gibt die Macht der Geldschöpfung zurück in die Hand der Nationalbank, weg von den profitorientierten Privatbanken zu einer demokratisch kontrollierbaren Staatsinstitution.