Knapp fünf Millionen Personen erhalten in den nächsten Wochen ungewohnte Post: Sie finden eine persönliche Packung Jodtabletten und Informationsmaterial zum Verhalten bei einer AKW-Katastrophe in ihrem Briefkasten.
Erstmals erhält die Bevölkerung auch im Umkreis von 20 bis 50 Kilometern rund um die fünf Atomkraftwerke eine Tablettenpackung. Die Verteilaktion läuft am 27. Oktober an und dauert bis Ende November, wie die Geschäftsstelle Kaliumiodid-Versorgung in einer Medienmitteilung schreibt.
Alle Personen, die im Umkreis von 50 Kilometern um die AKW Mühleberg BE, Gösgen SO, Beznau AG und Leibstadt AG wohnen, erhalten per Post im Auftrag des Bundes kostenlos eine Packung mit je zwölf Jodtabletten.
Diese weissen Pillen mit der Bezeichnung «Kaliumiodid 65 AApot Tabletten» müssen gemäss der Geschäftsstelle in der verschlossenen Originalpackung bei Raumtemperatur und ausserhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden.
Bereits ab Mitte Oktober werden alle Haushalte im Verteilgebiet mit einem Infoflyer über die Neuverteilung informiert. Der Tablettenpackung wird ein Beipackzettel beigelegt, sowie ein Merkblatt in acht Sprachen.
Die Jodtabletten dienen der Vorsorge und dürfen im Ereignisfall nur auf Anordnung der Behörden eingenommen werden, wie es in der Medienmitteilung weiter heisst. Bei einem schweren AKW-Zwischenfall kann radioaktives Jod in die Umgebung austreten.
Dieses wird vom Menschen durch die Atemluft aufgenommen und reichert sich in der Schilddrüse an. Jodtabletten verhindern die Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse.
Streit um Kosten und Radius noch offen
Letztmals wurden die Jodtabletten vor zehn Jahren an die Bevölkerung verteilt. Damals erhielten Personen eine Tablettenlieferung, die im Umkreis von 20 Kilometern rund um Atomkraftwerke leben. Die Tabletten für die Bevölkerung ausserhalb des engeren AKW-Umkreises sind bislang zentral gelagert worden.
Der Bundesrat vergrösserte als Reaktion auf die AKW-Katastrophe im japanischen Fukushima den Verteilradius und revidierte die Jodtablatten-Verordnung. Für die Kosten von 30 Millionen Franken müssen die AKW-Betreiber aufkommen. Die Kantone stützen das Vorgehen des Bundes.
Die AKW-Betreiber sind jedoch anderer Ansicht. Die AKW-Organisation Swissnuclear stellt sich auf den Standpunkt, dass der Verordnung teilweise die Rechtsgrundlage fehle und dass sie das Verhältnismässigkeitsprinzip verletze.
Die Ausdehnung der Feinverteilung sei «kontraproduktiv». Der Schutz der Bevölkerung werde «nur scheinbar erhöht, der Aufwand aber mehr als verdreifacht», hält Swissnuclar fest.
Die Organisation kündigte im Juni an, sich auf dem Rechtsweg wehren zu wollen. Sie erhielt bislang von der zuständigen Bundesstelle noch keine anfechtbare Verfügung, gegen die beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde eingereicht werden kann, wie ein Swissnuclear-Sprecher auf Anfrage sagte.