Verurteilte Pädosexuelle bekommen automatisch ein Berufsverbot

Einschlägig vorbestrafte Pädosexuelle dürfen nie mehr mit Kindern arbeiten. Das Volk hat die Pädophilen-Initiative am Sonntag mit 63,5 Prozent Ja-Stimmen deutlich angenommen. Befürworter und Gegner sind sich aber einig: Es braucht Ausnahmen für Jugendlieben.

Kleider eines Mädchens in einem Umkleideraum (gestellte Aufnahme) (Bild: sda)

Einschlägig vorbestrafte Pädosexuelle dürfen nie mehr mit Kindern arbeiten. Das Volk hat die Pädophilen-Initiative am Sonntag mit 63,5 Prozent Ja-Stimmen deutlich angenommen. Befürworter und Gegner sind sich aber einig: Es braucht Ausnahmen für Jugendlieben.

Das Anliegen der Initianten war im Grunde unbestritten: Kinder sollen besser vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Trotzdem hat ein Komitee um den Freisinnigen Nationalrat Andrea Caroni (AR) die neue Verfassungsbestimmung bekämpft.

Die Gegner störten sich daran, dass für verurteilte Pädosexuelle automatisch ein lebenslängliches Berufsverbot gelten soll – unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Das verletze das Gebot der Verhältnismässigkeit.

«Eine Verfassungsbestimmung wurde angenommen, die einer anderen widerspricht», sagte denn auch Justizministerin Simonetta Sommaruga nach der verlorenen Abstimmung vor Medienvertretern in Bern. Entweder werde die Initiative wortgetreu umgesetzt und damit das Gebot der Verhältnismässigkeit verletzt. Oder der neue Artikel werde in der Umsetzung relativiert, womit der Volkswille missachtet würde.

«Spielraum ist sehr klein»

Gegner und Befürworter wollen dem neuen Verfassungsartikel den Vorrang geben und einen Automatismus im Gesetz festschreiben. Er sehe kaum Möglichkeiten, die Initiative zu relativieren, sagte Caroni. «Der Spielraum ist sehr klein.» Das Volk habe entschieden, das müsse er als Demokrat akzeptieren.

Es sei kaum möglich, für Bagatellfälle Ausnahmen zu schaffen. Caroni nennt als Beispiele die Kioskverkäuferin, die einem 15-Jährigen ein Sexheftli verkauft. Allenfalls könnten Jugendlieben vom automatischen Berufsverbot ausgenommen werden.

So könnte gemäss den Gegnern etwa verhindert werden, dass ein 20-Jähriger, der wegen einer Liebesbeziehung mit einer 15-Jährigen verurteilt wird, nie mehr als Lehrer oder Fussballtrainer arbeiten darf. Hier zeigten sich die Befürworter bereits vor der Abstimmung gesprächsbereit. Man könne den Umgang mit Jugendlieben im Ausführungsgesetz präzisieren.

Weitere Zugeständnisse wollen die Befürworter aber nicht machen. In allen anderen Fällen – auch bei leichten Vergehen – müsse ein Berufsverbot, wie es die Initiative verlangt, automatisch verhängt werden. Dies sagte SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (ZH) vom Ja-Komitee.

Revision muss revidiert werden

Unabhängig von der Initiative tritt Anfang 2015 eine neues Gesetz in Kraft, mit dem Kinder und Schutzbedürftige besser vor Übergriffen geschützt werden sollen. Das Berufs- und Tätigkeitsverbot ist auf alle Täter anwendbar, die an Minderjährigen oder schutzbedürftigen Personen ein Verbrechen oder Vergehen begangen haben.

Damit können nicht nur Sexual-, sondern auch Gewaltdelikte geahndet werden. Vorgesehen sind ausserdem Kontakt- oder Rayonverbote, die auch bei Delikten in der Familie oder im Bekanntenkreis Wirkung entfalten.

Der wesentliche Unterschied zur Initiative besteht jedoch darin, dass der Richter bei der Verhängung des Berufsverbots auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf die Schwere der Straftat, Rücksicht nehmen kann. Bei schweren Übergriffen muss das Berufsverbot für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen werden, es kann aber auch lebenslänglich sein.

Nach der Annahme der Pädophilen-Initiative muss die Gesetzesrevision nun bereits wieder revidiert werden. Setzt das Parlament die neue Verfassungsbestimmung wörtlich um, wird es den Ermessensspielraum für die Richter wohl aus dem Gesetz streichen müssen.

Eine der erfolgreichsten Initiativen überhaupt

Dass die Pädophilen-Initiative angenommen wird, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet. Umfragen sagten eine klares Ja voraus. Mit 1’819’000 Ja- zu 1’045’000 Nein-Stimmen gehört das zweite Volksbegehren der Organisation Marche Blanche zu den erfolgreichsten Initiativen überhaupt. Auch am Ständemehr gab es nichts zu rütteln: Kein einziger Kanton lehnte die Initiative ab.

Überrascht zeigte sich am Abstimmungssonntag einzig die Initiantin Christine Bussat. «Ich war überzeugt, dass wir mit unserer Initiative nicht durchkommen», sagte sie.

Die Gegner hatten mit einem Ja gerechnet. «Mit dem Gegenkomitee wollten wir vor allem zeigen, dass noch jemand die Fahne der Rechtsstaatlichkeit hochhält und dass man mit übertriebenen Forderungen nicht einfach ohne Gegenwehr durchmarschieren kann», sagte FDP-Nationalrat Caroni. Stolz zeigten sich die Gegner darüber, dass sie eine Debatte über den Rechtsstaat angestossen haben und die Zustimmung von anfangs über 80 Prozent auf 63,5 Prozent senken konnten.

Die Befürworter zeigten sich erfreut, dass «der gesunde Menschenverstand gewonnen hat». Schliesslich sei es um die Frage gegangen, was höher gewichtet werden soll, sagte SVP-Nationalrätin Rickli: die Berufswünsche von Pädophilen oder der Schutz von Kindern.

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