Drecksack oder Held, Team- oder Einzelsport, schwarzes Schaf oder neuer Schummel-Schumi? Der deutsche Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel hat mit seinem «schmutzigen» Sieg in Malaysia ein neues Kapitel seiner Karriere aufgeschlagen.
Sowohl Red Bull als auch Mercedes hatten am Sonntag nach dem vierten und letzten Boxenstopp in Sepang ihre Piloten angewiesen, die Positionen zu halten. Mercedes Fahrer Nico Rosberg blieb brav und hinter Lewis Hamilton. Vettel hingegen pfiff auf die mit dem Codewort «multi 21» lautende Teamorder und kämpfte den führenden Mark Webber trotz des Nicht-Angriffpaktes nieder und feierte seinen dritten Malaysia-Sieg.
Das nach dem Ferrari-Skandal 2002 auf dem Österreichring ausgesprochene Teamorderverbot ist in der Formel 1 längst wieder aufgehoben. Nur bei besonders krasser Auslegung greift der Weltverband FIA noch ein. Schon am Podium war dem Asien-Spezialisten Vettel daher bewusst, dass er das Geschehene nicht als Missverständnis verkaufen können wird. Seine deshalb zahlreichen Entschuldigungen verpufften zunächst aber, auch Teamchef Christian Horner reagierte sauer.
Auf die Frage, warum man Vettel nach dem haarigen Überholmanöver gegen Webber nicht zum Rücktausch der Positionen aufgefordert hatte, sagte der Brite: «Glaubt wirklich jemand, das Sebastian das getan hätte nachdem er vorher die Anweisung ignoriert hat, nicht zu überholen?», fragte der Brite und machte klar, dass sich Vettel trotz aller Entschuldigungen weiter erklären müsse.
Ein australischer Wettanbieter hat all jenen, die Geld auf einen Sieg von Webber gesetzt hatten, ihre Dollars wieder zurückgezahlt. Das Unternehmen taufte die Aktion auf den Namen «Gerechtigkeits-Rückzahlung». «Es ist ja nicht Marks Fehler, dass sich Sebastian nicht an einfache Anweisungen halten kann», sagte ein Sprecher.
«Es tut mir leid, ich habe Mist gebaut»
Zwei Teams in ähnlichen Situationen mit unterschiedliche Lösungen. Während Rosberg auf Anordnung des – englischen – Teamchefs Ross Brawn darauf verzichtete, seine Platzansprüche gegenüber Neuzugang Hamilton klarzumachen, machte Vettel am Äquator einen auf «Schumacher». Dessen sieben Weltmeistertitel sind längst die Latte für den 25-jährigen Dreifach-Champ aus Deutschland, und dem als «Schummel-Schumi» in die Geschichte eingegangen Landsmann war keiner seiner zahllosen Strafen peinlich gewesen. Der Unterschied: Bei Ferrari war Schumacher der Star, beim österreichischen Weltmeister-Team ist es immer noch das Auto.
Ob unabsichtlich oder nicht: Vettel ist nach zwei aufregenden Rennen in Australien und Malaysia mit 40 Punkten vor Australien-Sieger Kimi Räikkönen (31) schon wieder WM-Führender und damit im Kampf um den vierten Titel in Folge im Plan. Und Webber, mit dem Vettel spätestens seit der Türkei-Kollision 2010 auf Kriegsfuss steht, soll auf dem Weg zum vierten Titel kein Hindernis werden. Der Australier beschwert sich regelmässig, benachteiligt zu werden. Red Bull betont stets, dass beide Fahrer gleichgestellt sind. «Nicht schlecht für einen Nummer zwei», hatte Webber deshalb bei einem seiner Siege einmal ironisch gemeint.
Vettel will «etwas zurückgeben»
«Wir hatten eine klare Vereinbarung, aber Sebastian hat seine eigene Entscheidung gefällt und er wird dafür beschützt. So läuft das eben», machte Webber klar, wie die Dinge seiner Meinung nach bei Red Bull Racing gesehen werden. Vettel machte zumindest nach aussen hin den Eindruck, über seine eigene Renn-Brutalität «erschrocken» zu sein. «Jetzt bin ich das schwarze Schaf», merkte er nach dem Rennen an und sprach von einem «Riesenfehler».
Vettel zeigte am Tag, an dem er seine rennfahrerische Unschuld loswurde, aber zumindest Gewissen. Der Rennfahrer mit dem Bubengesicht hatte einmal erklärt, dass man im Rennen ein «Drecksack», dies aber nicht auch noch im Privatleben sein müsse. «Es tut mir leid, ich habe Mist gebaut. Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen», sagte er deshalb.
Ob das die Stimmung bessert, bleibt abzuwarten. Während Webber mit seinem Surfboard in Australien abtauchte, gab sich Vettel reumütig. «Ich hoffe, ich bekomme die Gelegenheit, Mark das zu erklären. Und es wird der Moment kommen, wo ich etwas zurückgeben kann», versprach der Champion drei Wochen vor dem nächsten Rennen in China.