Ein Forscher der Universität Genf hat gemeinsam mit Kollegen in einem Übersichtsartikel die Schwierigkeiten der weltweiten Insulinversorgung analysiert. Zu hohe Preise seien dabei ein zentrales Problem, schrieben die Wissenschaftler.
Als Frederick Banting und Charles Best 1921 erstmals Insulin aus dem Pankreas eines Hundes isolierten und damit einen anderen, diabeteskranken Hund behandelten, war das ein Meilenstein der Medizin. Bereits ein Jahr später war Insulin für die Behandlung der Zuckerkrankheit auf dem Markt. Und dennoch: Mehr als 90 Jahre später bleibt Insulin für viele schwer zugänglich, die es benötigen.
David Beran von den Genfer Universitätsspitälern (HUG) und der Universität Genf analysierte gemeinsam mit Kollegen von Health Action International und der Boston University die weltweite Unterversorgung mit Insulin und die Gründe dafür. Ihr Übersichtsartikel erschien kürzlich in «The Lancet Diabetes & Endocrinology», wie die HUG und die Universität Genf am Montag mitteilten.
Etwa 100 Millionen weltweit brauchen Insulin
In einem begleitenden Interview des Fachjournals umriss Beran das Problem: Schätzungsweise 100 Millionen Menschen weltweit benötigen Insulin, und für etwa die Hälfte von ihnen ist der Zugang erschwert. Dabei spiele der Preis eine zentrale Rolle, der von nur drei mit Insulin handelnden multinationalen Konzerne bestimmt sei. Das mindere die Preisregulation durch Wettbewerb.
Durch Steuern und Zölle beim Import sowie durch die unterschiedlichen Gesundheitssysteme der Länder sei das Problem zudem stark landesabhängig. Nicaragua beispielsweise schaffe es trotz des niedrigen Durchschnittseinkommens seiner Bevölkerung, Betroffene kostenlos mit Insulin zu versorgen. In anderen Ländern hingegen seien die Preise für Insulin selbst im öffentlichen Sektor hoch.
Andere Situation als bei AIDS-Medikamenten
Dass das Problem nicht längst gelöst wurde – zum Beispiel durch weltweite Kampagnen, wie es bei den antiviralen AIDS-Medikamenten der Fall war -, liegt laut Beran an mehreren Punkten. Unter anderem gab es für die Kampagnen rund um die AIDS-Medikamente massive finanzielle Unterstützung durch Spender und Stiftungen. Bei Insulin fehlen solche Mittel bisher.
Ausserdem gebe es keinen globalen Zusammenhalt unter den Betroffenen, welcher die entsprechende Aktionspläne vorantreiben könnte. Mit dem Übersichtsartikel wollen die Autoren daher in erster Linie das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Problem schärfen.
In einem nächsten Schritt hoffen sie, dass ihre Analyse der Schwierigkeiten bei der globalen Insulinversorgung die Grundlage für die Länder schafft, für sie massgeschneiderte Lösungen zu erarbeiten. Zumindest für Patienten mit Typ-1-Diabetes sei die ausreichende Versorgung mit Insulin eine Frage von Leben und Tod. Und auch bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes spielt es eine Rolle.