Regimekritiker können in China in Zukunft unter vagen Verdächtigungen sechs Monate lang an einem unbekannten Ort festgehalten werden. Zum Abschluss seiner Jahrestagung in Peking billigte der Volkskongress am Mittwoch im Schnellverfahren ein umstrittenes neues Strafverfahrensrecht.
Dieses gewährt Sicherheitsorganen weitreichende Vollmachten für „heimliche Festnahmen“ und Hausarrest. Da das neue Strafverfahrensrecht heftige Debatten in China ausgelöst hat, war die Zustimmung mit 92 Prozent eher zurückhaltend. Andere Vorlagen billigt der nicht frei gewählte Volkskongress sonst mit grösserem Konsens.
Auf Nachfrage zeigten Abgeordnete aber wenig Kenntnisse über das Gesetz. „Ich verstehe sehr wenig davon“ oder „Fragen sie besser einen Experten“ war zu hören. „Ich habe dem Gesetz nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt“, sagte ein Delegierter.
Bei ungenau definierten politischen Verdächtigungen wie „Gefährdung der Staatssicherheit“ oder „Terrorismus“ sowie bei „grösseren Bestechungsfällen“ erlaubt das Gesetz „häusliche Überwachung“ an einem unbestimmten Ort, wenn es für ungehinderte Ermittlung nötig erscheint. Dem Verdächtigten kann jeder Zugang zu einem Anwalt verweigert werden. Angehörige müssen zwar unterrichtet werden, aber nicht den Aufenthaltsort kennen.
Bei regulären Festnahmen wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder des Terrorismusverdachts kann von der Unterrichtung der Familien abgesehen werden, um Ermittlungen nicht zu gefährden. Solche „heimlichen Festnahme“ sollen je nach Schwere des vermuteten Verbrechens aber nicht länger als einen Monat dauern. Allerdings kann die Haft danach als „häusliche Überwachung“ fortgesetzt werden.
„Grosse Gefahr für Kritiker“
„Solche Vorkehrungen sind eine grosse Gefahr für Kritiker der Regierung und Menschenrechtsaktivisten“, sagte Sophie Richardson, China-Direktorin von Human Rights Watch. „Es ist auch ein klarer Verstoss gegen Chinas internationale Verpflichtungen.“
Haft an unbekannten Orten berge „eine grosse Gefahr von Folter und Misshandlungen“. „Es wird Panik in der Gesellschaft auslösen“, sagte der berühmte Künstler Ai Weiwei, der im vergangenen Jahr selbst zwei Monate in Hausarrest verschwunden war.
Amnesty International begrüsste zwar einige positive Elemente in anderen Bereichen des Gesetzes, verurteilte aber die Legalisierung des Hausarrests und „heimlicher Festnahmen“. Es wurde darauf verwiesen, dass der Vorwurf der Bedrohung der nationalen Sicherheit in China gern gegen demokratische Aktivisten erhoben wird.