Vor vierzig Jahren zog Marlen Haushofer uns mit dem Roman «Die Wand» in den Bann. Ihre Hauptfigur wird durch eine unsichtbare Wand in eine erschreckende Islation gezwungen. Allein in einer Hütte im Wald, muss sie versuchen zu überleben, getrennt vom Rest der Welt. Wie in einem gläsernen Trichter gefangen, kämpfte sie um ihr Leben und findet zu einer eigenen Harmonie mit der Natur. Hoch oben in den Bergen, mit einem Hund, einer Katze und einer Kuh, führt sie das Leben eines Robinson, und – beginnt darüber zu schreiben. Überraschend frisch legte Marlen Haushofer in hinreissenden Naturschilderungen die Innenwelt einer Frau frei, indem sie sie ihre Aussenwelt beschreiben liess. Als gäbe es keine Vergangenheit und Aussenwelt mehr, arbeitet sie sich zu etwas vor, was wir vielleicht als ihr Trauma lesen konnten: Sie beschreibt ihre Mühen und Kämpfe und Nöte und Ängste alle, als wären sie Naturereignisse. Selbst der unbekannte Mann, der ihren Freund, den Hund, und einen Stier, den sie auf die Welt gebracht hat, erschlägt, ist nur ein Naturereignis: Sie erschiesst ihn, den einzigen Menschen, der noch in ihrer Isolation vorkommt. Alle anderen Menschen, wir, sind wie vom Erdball verschwunden.
Vor vierzig Jahren zog Marlen Haushofer uns mit dem Roman «Die Wand» in den Bann. Ihre Hauptfigur wird durch eine unsichtbare Wand in eine erschreckende Islation gezwungen. Allein in einer Hütte im Wald, muss sie versuchen zu überleben, getrennt vom Rest der Welt. Wie in einem gläsernen Trichter gefangen, kämpfte sie um ihr Leben und findet zu einer eigenen Harmonie mit der Natur. Hoch oben in den Bergen, mit einem Hund, einer Katze und einer Kuh, führt sie das Leben eines Robinson, und – beginnt darüber zu schreiben. Überraschend frisch legte Marlen Haushofer in hinreissenden Naturschilderungen die Innenwelt einer Frau frei, indem sie sie ihre Aussenwelt beschreiben liess. Als gäbe es keine Vergangenheit und Aussenwelt mehr, arbeitet sie sich zu etwas vor, was wir vielleicht als ihr Trauma lesen konnten: Sie beschreibt ihre Mühen und Kämpfe und Nöte und Ängste alle, als wären sie Naturereignisse. Selbst der unbekannte Mann, der ihren Freund, den Hund, und einen Stier, den sie auf die Welt gebracht hat, erschlägt, ist nur ein Naturereignis: Sie erschiesst ihn, den einzigen Menschen, der noch in ihrer Isolation vorkommt. Alle anderen Menschen, wir, sind wie vom Erdball verschwunden.
Wie kann daraus nun ein Film werden? Wann immer ein Roman verfilmt wird, stellen sich Fragen der Übertragung: Wie kann ein Medium das andere wiedergeben? Kann der Film – der uns zwar Bilder anschauen, aber nicht wirklich sehen lässt – einem Buch, das uns immer unsere eignen Bilderwelten öffnen lässt, überhaupt gerecht werden?
Wem soll der Film dabei die Treue halten: Der Geschichte? Der Idee der Autorin? Ihrer Methode? Dem Text? Oder dessen Bedeutung? Der Erzählung oder der Erzählform?
Im Buch lässt die Buch-Autorin eine Ich-Erzählerin das Buch schreiben. Damit schlägt sie zum Vornherein jede Frage nach der Sicht auf die Frau in den Wind. Die Frau verrät eben nichts über sich, weil sie eben selber die Welt sieht, selber entscheidet, was sie über sich verrät. Sie schreibt über die Natur, die sie umgibt. Sie gibt nur soviel von sich preis, wie wir ihren Worten über sie entnehmen wollen. Was sie damit in uns weckt, das macht die Spannung des Buches aus: Das Buch muss nie verraten, was die Frau in die Isolation getrieben haben mag, welche Vorgeschichte möglicherweise das Trauma verursachte …
Gewiss könnte nun ein Film die junge Frau ihre Gefangenschaft filmisch dokumentieren lassen: Mit dem Handy, mit einer Video-Kamera. Auch liesse sich filmisch sehr leicht eine Verbindung zu der Vergangenheit der Frau (und vielleicht auch des unbekannten Mannes) herstellen, auf die das Buch weitgehend verzichtet. Oder die narrative Struktur könnte sich als Horrorfilm (wie etwa in «The cabin in the Woods», wo auch eine unsichtbare Wand vorkommt) zu einem bedrohlichen Naturszenario verdichten.
Julian Pölsler verzichtet in seiner «Wand» auf all das. Er setzt auf eine stille Zeugin. Er lässt Martina Gedeck zauberhaft unaufgeregt die Isolation ertragen. Er verzichtet also auf fast alle narrativen filmischen Zugriffe: Statt dessen folgen wir treu der Buch-Autorin (nicht ihrer Methode) und sehen (und hören) die Hauptfigur beim Schreiben ihrer Notizen. Damit bleibt er immerhin der Idee der Buch-Autorin, dass wir über die vertiefte Naturbeschreibung der Hauptfigur uns langsam ein Bild von ihrem Innenleben machen können, treu. Das Medium Film allerdings bleibt weitgehend auf der Strecke: Wir blättern langsam durch ein Bilderbuch. Wir blicken auf die Frau. Nicht in die Frau. Auch wenn es Martina Gedeck immer wieder gelingt, uns mit ihrer magischen Stimme am Rande einer phantastischen Verzweiflung zu halten: Wir belauschen sie zwar. Aber die Bilder bleiben Aussenbilder. Der Film lässt die Hauptfigur aus Unschärfen auf uns zukommen, begleitet die Hauptfigur in die schwierigsten Lagen aus Distanz, lässt uns von aussen an ihrer Begeisterung teilhaben. Nur im bittersten Moment ihres Gefangenschaft, dem Tod ihrer Tiere, dürfen wir in der Zeitlupe fast in ihr Erleben hineinkriechen. Dass wir so hörenswert nah immer von der schweren Stimme der Martina Gedeck geleitet werden, macht noch keine filmische Innenwelt aus. Das legt uns aber immerhin den Buchtext ein weiteres Mal ans Herz. Das öffnet noch einmal die Bildwelten dieser präzisen Roman-Sprache. Aber ist das dann schon ein Film? Es gibt wenige Stellen im Film – wenn z.B. etwa die Fensterwand das grellschöne Aussen von dem Hütteninnern abtrennt. Oder sich eine Nebelwand vor die Bergwand stellt. Oder wenn die Kamera auf einer Rückwärtsfahrt vom Wandteppich mit dem röhrenden Hirsch hinter der schlafenden Frau durch das Eisblumen-Fenster hinaus in die kalte Natur fährt und drinnen wie draussen Natur herrscht. Spätesten an solchen Stellen ist das Bilderbuch ein phantastisches Lichtspiel. Und fliegt weit über dem Buch, wie der Bussard am Himmel über die Wand hinwegfliegt.