Früher trugen Art-Chefs noch dazu bei, dass improvisierte Freiluftpartys stattfanden. Jetzt manifestiert sich zunehmend eine abgehobene Spiessigkeit der Messe Schweiz – auch während der Art. Das zeigt sich allein beim Gang aufs Pissoir.
Dass das Verhältnis zwischen der Messe Schweiz und vielen Baslerinnen und Baslern angespannt ist, kriegt man selbst dort zu hören, wo man nur dann hängen bleibt, wenn ein Stadtgespräch die Runde macht: auf dem WC. Die Favela-Protestparty und der verkrampfte Umgang der Messe Schweiz mit dieser (Strafanzeige erheben, Polizeieinsatz auslösen) scheint zu bestätigen, was meine Kolleginnen vor einem Jahr schon getitelt haben: «Die Art hebt ab».
Da erinnert sich unsereiner wehmütig zurück, an die Zeit vor zehn, zwölf Jahren, als die Art noch so stark verankert war in der Stadt Basel, dass sie die Subkultur berührte – vice versa. Unvergesslich, wie eine der legendären Art Partys in der Kaserne um 4 Uhr ihr gesetzlich verordnetes Ende fand, worauf Sam und Judith Keller eigenhändig dazu beitrugen, dass auf der Kasernenmatte ein improvisiertes Soundsystem installiert wurde und man miteinander bis zum Sonnenaufgang weitertanzte. Auch die Galeristen aus New York oder Brüssel waren begeistert. Und die Polizei unbewaffnet.
Tempi passati.
Die Lockerheit von früher, sie ist selbst während der Art Basel einer Spiessigkeit gewichen. Und diese Spiessigkeit manifestiert sich sogar auf den Toiletten. So haben wir im letzten Jahr beim Austreten festgestellt, dass sich ein Pissoir-Graben auftut: Die «In zwei Klassen Wasser lassen»-Gesellschaft hat in der Messe Einzug gehalten, war ein Pissoir doch explizit nur für die Aussteller reserviert. So ein Seich! In diesem Jahr haben wir gleichenorts ein kleines Manifest eines Künstlers entdeckt. Auf einem Zettel stand in Handschrift geschrieben:
MAKING ART IS FUN, THE REST IS BORING!
– BORING TALKS
– BORING MONEY
– BORING MADE ART
Das Statement haben wir bei unserem zweiten Rundgang an der Art nicht mehr gesichtet. Drei Szenarien sind denkbar:
1. Die Messe Schweiz hat eine Spezialeinheit der Basler Polizei aufgeboten. Diese hat zunächst das Gespräch mit dem Protestzettel gesucht. Als sich dieser nicht rührte, wurde er mit Pfefferspray eingenebelt, mit Gummigeschossen zu Boden geknallt und schliesslich abgeführt. Der Zettel wird sich mit einer Klage wegen Vandalismus konfrontiert sehen müssen.
2. Ein Galerist aus Miami hat den Zettel mit einem Haarfön abgelöst und sorgfältig in ein Kartoncouvert verpackt. Er wird eine Kunsthistorikerin damit beauftragen, einen Begleittext zu schreiben, worin die Begriffe «postmodern», «subversiv» und «gesellschaftsrelevant» vorkommen. Dann wird er das Post-it-Statement bei seiner Heimmesse in Miami Beach zwischen Werken von Jeff Koons und Damien Hirst platzieren und für 400’000 Dollar einen Käufer finden.
3. Wie Variante 1, allerdings mit einer kleinen Abweichung: Baschi Dürr wird den Zettel nachts aus der Asservatenkammer entwenden und sein Büro endlich mit einem Kunstwerk ausstatten.
PS: Dass ein Pipeline-Betreiber die Pissoirs der Messe sponsert, ist eine Pointe, die wir uns für ein anderes Mal aufsparen.