Vor fünf Millionen Jahren hausten vierzehn Krokodilarten in Südamerika, und bis zu sieben Arten lebten gleichzeitig friedlich nebeneinander. Eine solche Fülle sei noch niemals beobachtet worden, berichten Zürcher Paläontologen zusammen mit venezolanischen Kollegen in einer neuen Studie.
Diese Vielfalt war möglich, weil die Reptilien in ihrer Jagd- und Ernährungsweise stark spezialisiert waren: Da gab es grosse Allesfresser, den Flussboden durchsiebende Entenschnabelkrokodile oder Krokodile mit runden Zähnen zum Knacken von Muscheln und Schnecken, wie Studien-Mitautor Torsten Scheyer von der Universität Zürich (UZH) am Dienstag der Nachrichtenagentur sda erklärte.
Die vielfältigen Krokodilfossilien haben die Forscher in den letzten zehn Jahren im Gebiet des Amazonas und des heute verschwundenen Flusses Urumaco in Venezuela ausgegraben. Die Tiere lebten im Miozän, also vor neun bis fünf Millionen Jahren, wie das Team im Fachblatt «Nature Communications» berichtet.
Die Forscher fanden sämtliche heute noch existierenden Krokodilartigen: Echte Krokodile, Alligatoren, Kaimane und Gaviale. Sie entdeckten auch zwei neue fossile Arten: Ein Krokodil aus der Familie der Kaimane mit kugelförmigen Zähnen, mit denen es wahrscheinlich Muscheln, Schnecken oder Krebse knackte, und ein zweites, das offenbar über vier Meter lang wurde.
Rolle der heutigen Delfine
Dass so viele Krokodile auf engem Raum nebeneinander lebten, ist nach Angaben der Forscher bemerkenswert. «Dies ist nur möglich, weil sie sehr spezialisiert waren», sagte Scheyer. Heute lebten maximal zwei bis drei Arten zusammen. Insgesamt gibt es in Südamerika heute sechs Alligatoren- und vier Krokodilarten.
Auf diese Spezialisierung lassen die äusserst variablen Kieferformen der Tiere schliessen. Die spitze, enge Schnauze der fossilen Gaviale eignete sich zur Fischjagd. «Sie besetzten jene Nische, die nach ihrem Aussterben von den Delfinen besetzt wurde», vermutet Teamleiter Marcelo Sánchez von der UZH in einer Mitteilung der Hochschule.
Riesenkrokodile, die bis zu zwölf Meter lang waren, ernährten sich dagegen von Schildkröten, Riesennagern und kleineren Krokodilen. «In Südamerika gab es damals keine Raubtiere, die drei Meter lange Schildkröten oder Riesennager hätten zur Strecke bringen können», sagte Scheyer. «Die Riesenkrokodile besetzten diese Nische.»
Katastrophale Andenhebung
Doch dann kam die Katastrophe: In geologischen Massstäben «sehr rasch» seien die vielen Krokodile verschwunden, erklärte Scheyer. Schuld sei die Hebung der Anden gewesen, die den Lauf der Flüsse veränderte – der Amazonas entwässert heute nicht mehr in die Karibik, sondern den kühlen Atlantik. Temperatur und Klima blieben indes im Miozän weitgehend stabil.
Mit der Zerstörung des Habitats entstand eine völlig neue Fauna, die man heute aus den Orinoco- und Amazonas-Gebieten kennt. Im früheren Urumaco-Gebiet dagegen herrsche seit dem Versiegen des Urumacos ein sehr trockenes Klima. In Schichten aus dem späteren Pliozän fanden die Forscher nur noch eine einzige Krokodilart, die bereits die moderne Anatomie heutiger Krokodile aufweist.