Der Klimawandel scheint dem Alpensteinbock gut zu tun: Höhere Frühlingstemperaturen und frühere Schneeschmelze verbessern das Nahrungsangebot. Dieses fördert das Hornwachstum, ein Indiz für Vitalität.
Dies zeigt eine neue Studie unter Leitung der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf ZH. Ein internationales Forscherteam um Ulf Büntgen und Kurt Bollmann von der WSL hat Daten von mehr als 8000 Steinböcken ausgewertet. Sie stammen aus einer einzigartigen Datensammlung des Amtes für Jagd und Fischerei Graubünden, das sämtliche gejagten Steinböcke erfasst hat, wie die WSL mitteilte.
Die jährliche Hornzuwachsraten der Steinböcke analysierten die Forscher aus der Schweiz, Norwegen und den USA mit den gleichen Methoden wie sie bei der Jahrringforschung verwendet werden. Dabei dienen die Jahrringe von Bäumen zur Altersbestimmung von Holz und Holzbauten.
Die Resultate zeigen, dass das Hornwachstum der Steinböcke vor allem durch Veränderungen der Frühlingstemperatur in Europa bestimmt wird, wie die Forscher nun im Fachjournal «Ecology Letters» berichten. Diese hängt von der «Nordatlantischen Oszillation» ab, einer Luftdruckschwankung zwischen Islandtief und Azorenhoch, die das Winterwetter in Europa beeinflusst.
Wachstum der Kräuter
Die Oszillation hat demnach eine synchronisierende Wirkung: Bei den acht untersuchten Steinbock-Populationen in den Bündner Alpen fiel der jährliche Hornzuwachs der Steinböcke etwa gleich aus, obwohl sie an unterschiedlichen Orten und Höhenlagen lebten. Besonders stark war er den Jahren 1997, 2003 und 2007 mit warmem Frühling, schwach in den kalten Jahren 1984, 1987 und 2010.
Die Forscher erklären dies damit, dass höhere Temperaturen zwischen März und Mai den Schnee früher schmelzen lassen, woraufhin Nahrungspflanzen wie alpine Gräser und Kräuter früher wachsen und besseren Nährwert erhalten. Dies fördere das Wachstum und die Vitalität des Alpensteinbocks, schreiben die Forscher.
Den Zusammenhang von Klima und Fitness von Steinböcken konnten die Forscher so genau erfassen, weil das Kantonale Amt für Jagd und Fischerei in Chur die Jagd auf die geschützten Tiere streng kontrolliert. So hat es seit der Wiederaufnahme der Steinbockjagd über 20’000 erlegte Tiere genau vermessen und die Daten digitalisiert. Sie reichen bis ins Jahr 1964 zurück.
Es wäre indes denkbar, dass auch die Jagd selbst einen Einfluss auf die Hornzuwachsdaten hat, etwa wenn Jäger mehr Tiere mit grossen Hörnern abschiessen, schreiben die Forscher. Einen solchen Effekt konnten sie aber bislang nicht nachweisen – die wachstumsfördernde Wirkung der warmen Frühlingstemperaturen war offenbar stärker.