Seit der „Dällebach Kari“-Stoff in Musical und Film Wiederauferstehung feiert, ist auch er wieder in aller Munde: Walo Lüönd, der den Kari in Kurt Frühs Klassiker von 1970 spielte. Heute Freitag wird der Wahltessiner 85.
2010, im selben Jahr wie „Dällebach Kari“, erreichte auch Lüönds zweite Glanzrolle, der griesgrämige „Schweizermacher“ Max Bodmer, die Musicalbühne. In den Musicalfassungen traten Hanspeter Müller-Drossart respektive Andrea Zogg in Lüönds Fussstapfen.
Für Walo Lüönd selbst war 2010 dennoch kein gutes Jahr, da er nach einer schweren Bauchoperation zeitweise nicht mehr gehen konnte. Einen Hirnschlag, eine Rückenoperation und den Grauen Star hatte er damals bereits hinter sich. Mittlerweile gehe es ihm wieder gut, erklärte Lüönd letztes Jahr.
Skandal und Avantgarde
Als dritter grosser Triumph seiner Karriere nach „Dällebach“ und „Die Schweizermacher“ gilt die einfühlsame Interpretation der Titelrolle in Urs Widmers Bühnenstück „Jeanmaire“, in dem Lüönd 1993 buchstäblich die Hosen herunterlassen musste.
Es war nicht seine erste Rolle in einem kontroversen Drama. 1972 spielte er in Zürich im berüchtigten „Sennetuntschi“ von Hansjörg Schneider einen von drei notgeilen Alphirten. 1981 folgte in Basel „Schütze Tell“ vom selben Autor, in dem Lüönd den Nationalhelden als faules „Chauvinistenschwein“ zu spielen hatte.
Vom kleinen Schneiderlein…
Die Bühnenkarriere war dem 1927 in Zug geborenen Walter-Josef Lüönd gleichsam in die Wiege gelegt worden, zumal sein Vater, ein Konditor, im lokalen Laientheater ein Star war. Walo organisierte schon als kleines Kind Zirkus-Freiluftaufführungen im Hinterhof.
Auf Wunsch seines Vaters schloss er dennoch eine Lehre als Herrenschneider ab, bevor er sich am Bühnenstudio Zürich ausbilden liess. Genäht hat er später nur noch Hosen für seine beiden Buben. Daniel, der ältere, sollte nur 30 Jahre alt werden.
…zum Charakterdarsteller…
An der Schauspielschule wurde Walo Lüönd bei der Abschlussprüfung zwar Talent attestiert. „Doch bei ihrem Aussehen würden wir ihnen raten, einen anderen Beruf zu ergreifen“, hiess es.
An Angeboten – hauptsächlich im Charakter- und Komödienfach – mangelte es dem knorrigen Innerschweizer dennoch nie. 1949-52 hatte er erste Auftritte am Schauspielhaus, am Centraltheater und im Cabaret Fédéral in Zürich, 1952/53 am Stadttheater Basel.
Es folgten zwei Saisons in München an den Kammerspielen und am Residenztheater und fünf in Essen. Dort lernte er seine Frau, die Schauspielerin Eva-Marie Bendig kennen, mit der er mittlerweile fast 60 Jahre verheiratet ist.
1959 holte ihn der Regisseur Leonard Steckel, der ihn noch von Zürich her kannte, für zehn Jahre an die Volksbühne Berlin. Gleich für seine erste Rolle in Goldonis „Bettina“ wurde Lüönd vom gefürchteten Kritiker Friedrich Luft mit seltenem Lob bedacht. 1962 begann Lüönd auch in Kino- und Fernsehfilmen mitzuwirken.
…und wieder retour
Ob als miesepetriger Beamter („Die Schweizermacher“), geldgeiler Bauer („Brot und Steine“), bester Freund des Dorfkauzes („Der Erfinder“), tragisch abstürzender Privatdetektiv („Der Fall“) oder liebenswürdiger Gemeindepräsident („Sternenberg“) – Lüönd liess sich für fast jeden Charakter besetzen.
Seinen vorläufig letzten Auftritt hatte Walo Lüönd 2010 in „Der grosse Kater“ neben Bruno Ganz. Regisseur Wolfgang Panzer besetzte ihn wohl nicht zufällig als Schneider.