Warten auf Spielbergs „War Horse“

Wenn eine Theater-Vorstellung „Kriegs-Pferd“ heisst, denkt man: Das interessiert Pferdenarren, Abenteuerinnen, Veteranen, Kriegsfetischisten und ein paar Pazifistinnen. Wenn eine Puppen-Kompagnie mitmacht, kommen noch die Freunde der Puppenkiste dazu: Ich gehöre wohl zu den Abenteurern, hatte ich doch von der südafrikanischen Handspring Puppet Company von Basil Jones and Adrian Kohler noch nie etwas gehört, als ich […]

Wenn eine Theater-Vorstellung „Kriegs-Pferd“ heisst, denkt man: Das interessiert Pferdenarren, Abenteuerinnen, Veteranen, Kriegsfetischisten und ein paar Pazifistinnen. Wenn eine Puppen-Kompagnie mitmacht, kommen noch die Freunde der Puppenkiste dazu: Ich gehöre wohl zu den Abenteurern, hatte ich doch von der südafrikanischen Handspring Puppet Company von Basil Jones and Adrian Kohler noch nie etwas gehört, als ich auf gewagtem Weg zu Tickets kam:

Wenn eine Theater-Vorstellung „Kriegs-Pferd“ heisst, denkt man: Das interessiert Pferdenarren, Abenteuerinnen, Veteranen, Kriegsfetischisten und ein paar Pazifistinnen. Wenn eine Puppen-Kompagnie mitmacht, kommen noch die Freunde der Puppenkiste dazu: Ich gehöre wohl zu den Abenteurern, hatte ich doch von der südafrikanischen Handspring Puppet Company von Basil Jones and Adrian Kohler noch nie etwas gehört, als ich auf gewagtem Weg zu Tickets kam:

 

Eigentlich wollten wir damals nicht nach London, sondern nach Valencia, ans Meer. Da ergab es sich, dass der Flug-Umweg über London billiger war, als das Umsteigen in Madrid! Pervers. Aber für uns ein Glücksfall:  Anstatt Umsteigen wurde daraus ein Wochenende in London mit Theater im Drury Lane: „War Horse“, in der Zwischenzeit die meistverkaufte Londoner Produktion der letzten Jahre.

Wie lockt die Puppen-Kompagnie aus Südafrika jeden Abend tausend Zuschauerinnen ins Theater? Vorab mit dem exzellenten National-Theatre-Ensemble, einer leere Bühne, ausgesuchtem Licht-Design und  – Pferden: Nicht die Schimmel der Spanische Reitschule strecken ihre Hufe, nein, die „war horses“ – das sind lebensgrosse Pferdepuppen, die von den Puppenspielern sichtbar in Schwerstarbeit und mit Zauberhand durch den Abend geführt, gejagt, gepeitscht und geritten werden.

Die Kompagnie lockt mit einer Vorlage, die für Steven Spielberg’s Film gut genug war: „War Horse“ ist der gleichnamige Roman von Michael Morpurgo, eine Geschichte für Kinder, die, fern von Tolstojs „Leinwandmesser“inspiriert, die Lebensgeschichte eines Pferdes im zaristischen Russland vor den Hintergrund des Ersten Weltkrieges verlegt: Wie bei Tolstoj steht auch bei Morpugo das Pferd für die geschundene Kreatur.   

Ich habe schon einige magische Momente mit Pferden auf der Theaterbühne erlebt: Als ich drei Monate vor dem Mauerfall in Moskau Patrice Chereaus „Hamlet“ als Gastspiel sah, sass ich in der ersten Reihe des Künstlertheaters, als des Vaters Geist auftrat – nein – galoppierte! Zu Pferd bäumte er sich vor dem Parkett auf. Der Vater berichtete auf schnaubendem Hengst vom Verrat der Machthaber. Das zweite Pferd trabte in Eva Bergmans „Geschichte eines Pferdes“ nach Tolstoj in Göteborg in meine Erinnerung: Dort liess Ulf Dohlsten mit tapsigen Schritten die kindliche erste Liebe der Hauptfigur – als Pferd – zu Leben erwachen. Dazu gesellt sich jetzt der dritte magische Augenblick: Wie Joey, das „Warhorse“-Fohlen, sich vor unseren Augen unter den Händen der Puppenspielerinnen zu einem erwachsenen Pferd verwandelt, ist eine Reise ans Meer über London wert.

Die Ereignisse um die Pferdepuppen sind eingebettet in eine einfache Geschichte: Der junge Albert hastet, auf der Suche nach seinem Pferd, Joey, über die Schlachtfelder des zweiten Weltkrieges in Frankreich. Dass da einige Kriegsverharmlosung stattfindet und die Musik manchmal die Grenzen des Kitsches streift, darf man dem Abend nachsehen: „Warhorse“ im New London Theatre bleibt eine Familienangelegenheit: Die Kinder im Publikum in der Halbrund-Arena wirken nicht eingeschüchtert. Eher tragen sie eine ordentliche Einstiegsdroge Theater mit nach Hause: Die Eltern wissen, dass sie auf ein Gewinner-Pferd gesetzt haben: In dieser Zirkus-Atmosphäre herrscht kaum die lähmende Bildungs-Ehrfurcht als vielmehr hochstehender Spass am Theater. „War-Horse“ ist trotz Panzern und Krieg auf der Bühne ein Familienspektakel: Ausverkauft, versteht sich, wann immer es gespielt wir. Und es wird immer gespielt. In London haben bereits über eine Million (!) Theater-Zuschauer sich von der Vorstellung verzaubern lassen. Noch läuft sie täglich. 

Jetzt warten wir gespannt auf SpielbergsWar Horse“ Version.

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