Der Hirnscanner des Basler Unispitals zeigt die Wirkung eines Softdrinks mit Grüntee-Extrakt auf Versuchspersonen. Die Resultate sind mit Vorsicht zu geniessen und lassen sich nicht verallgemeinern.
Man nehme zwölf gesunde, zwischen 18 und 35 Jahre alte Basler Rechtshänder. Man stopfe ihnen ein Schläuchlein durch den Mund bis in den Magen und flösse ihnen auf diesem Weg mehrfach entweder einen halben Liter Rivella Grün oder Rivella Blau ein. Das Rivella Blau süsse man zuvor nach auf denselben Zuckergehalt wie das grüne. Zweck des Magenschlauchs an Zunge und Gaumen der Versuchspersonen vorbei: Sie sollen nicht schmecken, ob Grün oder Blau in sie hineinrinnt.
Danach stecke man die so rivellagefüllten Probanden in einen Hirnscanner. Und lasse sie gleichzeitig einfache Gedächtnistests absolvieren, wie – einen Knopf drücken, wenn der ihnen soeben gezeigte Buchstabe der gleiche ist, wie der als Vorletzter gezeigte. Das Ganze wiederhole man vier Mal im Abstand einer Woche.
Leuchtende Gehirnregionen
Und siehe da: Mit der Zeit leuchten während den Tests die Rivella-Grün-Gehirne auf den Bildschirmen im Kontrollraum an gewissen Stellen heller auf als jene Gehirne auf Rivella Blau. Allerdings schneiden die Rivella-Grün-Versuchspersonen in den Gedächtnistests nicht relevant besser ab trotz stärkerer Signale aus ihren Gehirnen.
Der Psychiater Stefan Borgwardt, leitender Arzt am Basler Zentrum für Diagnostik und Krisenintervention der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK), ist mitverantwortlich für diese 2012 durchgeführten Versuche. Für ihn belegt das vor Kurzem publizierte Resultat, dass in den Rivella-Grün-Gehirnen zwei für das Kurzzeitgedächtnis zuständige Areale besser verknüpft sind als in den Rivella-Blau-Gehirnen.
Verantwortlich dafür ist seiner Einschätzung nach jenes halbe Gramm industriell hergestellten Grünteeextrakts, um das sich die beiden Softdrinks pro Liter hauptsächlich unterscheiden. Zwar schwimmen in Rivella Grün im Unterschied zu Rivella Blau auch noch Gerstenmalz-Extrakt, der Süssstoff Sucralose und die Vitamine C und B6. Die hätten aber keinen Einfluss, meint Borgwardt und argumentiert anhand entsprechender Untersuchungen Dritter.
Der Extrakt in Rivella Grün besteht natürlicherweise bis zu einem Zehntel aus Koffein. Im Fachartikel über die Versuchsergebnisse heisst es denn auch, es sei nicht auszuschliessen, dass das Koffein für die beobachteten Effekte mindestens mitverantwortlich sei. Schwarztee oder Kaffee könnten also dieselbe Wirkung zeigen.
Rivella als Sponsor
Rivella hat die Versuche mitfinanziert. Laut Stefan Borgwardt nahm die Firma aber keinen Einfluss auf die Publikation. Auch werde sie die Resultate nicht zu Werbezwecken verwenden, versichert Rivella, zumal «auf EU-Ebene eine immer stärkere Reglementierung von Gesundheitsaussagen für Lebensmittel stattgefunden» habe. Nicht dazu äussern wollte sich Rivella, wie viel sie bezahlte und wie der Kontakt zu den Forschenden in Basel zustande kam. Borgwardt seinerseits ging nicht auf die Frage ein, ob er bereit sei, die Kooperationsvereinbarung mit Rivella zu veröffentlichen.
Die Universität Basel und die UPK verbreiteten die Resultate von Borgwardt und Mitforschenden in einer PR-Meldung unter dem Titel «Grüner Tee beeinflusst das Gehirn». Diese Aussage ist insofern ungenau, als die Ergebnisse nur für den einen industriellen Grünteeextrakt gelten, der Rivella Grün zugesetzt wird, nicht für Grüntee generell. Sie seien auch nicht auf andere, in unterschiedlichsten Varianten erhältliche Extrakte übertragbar, bestätigt Borgwardt: «Da wir keine anderen Extrakte untersucht haben, kann man anhand dieser Studie keine diesbezüglichen Schlüsse ziehen.»
Extrakt versus Naturverbund
Die Tübinger Ärztin und Lehrbuchautorin Dr. med. Susanne Bihlmaier, Dozentin für Naturheilverfahren, nimmt die PR-Meldung zur «Rivella-Studie» kritisch zur Kenntnis. In Industrie-unabhängigen Untersuchungen zeige sich immer wieder, «dass wirksame Inhaltsstoffe im Naturverbund besser aufgenommen werden als in der künstlichen Verdichtung von Extrakten», sagt Bihlmaier. Das sei belegt beim Tomaten-Inhaltsstoff Lykopin, beim Rotwein-Inhaltsstoff Resveratrol oder bei Vitamin C. Noch eindrücklicher sei eine Studie zur Klasse der Soja-Inhaltsstoffe Isoflavone. Soja als Nahrungsmittel könne vor Brustkrebs schützen, während gewisse Isoflavone, werden sie als Extrakt an Spezialmäuse verfüttert, mehr Krebs hervorriefen.
Am besten geniessen wir also weiterhin in Ruhe die zu Hause selber gebraute Tasse Grüntee.