Nach seiner deutlichen Finalniederlage am French Open gegen Rafael Nadal erklärt Stan Wawrinka, warum es so schwierig ist, gegen den Spanier zu spielen.
Stan Wawrinka, warum ist es Ihnen heute nicht gelungen, so zu spielen wie Sie es wollten?
«Zuerst einmal sein Level. Er ist der beste auf Sand. Aber ich habe nicht mein bestes Tennis gespielt. Ich habe etwas gezögert bei der Wahl meiner Schläge. Es gibt viele Gründe für das Resultat von heute, aber hauptsächlich war er einfach besser.»
Was macht Nadal so gut?
«Das ist schwierig zu beschreiben. Zehn French Open, zehn Siege beim gleichen Grand-Slam-Turnier, das ist etwas so Grosses für den Sport. Er ist ein wahnsinniger Kämpfer. Auf Sand ist es unheimlich schwierig gegen ihn. Es kommt immer noch ein Ball zurück. Jeder Ball hat Spin. Jeder Ball springt anders weg. Er setzt Zweifel in deinem Kopf, den du nicht haben darfst. Auf Sand ist es noch schwieriger, weil er sich so gut bewegt.»
Haben Sie Nadal je besser spielen sehen?
«Nein. Er spielt so gut wie nie zuvor. Nicht nur hier, das ganze Jahr schon, spielt er aggressiver, näher an der Linie.»
Kann man Nadals zehn Titel in Roland Garros mit den 18 Grand-Slam-Titeln von Roger Federer vergleichen? Was ist eindrücklicher?
«Da gibt es nichts zu vergleichen. Beides sind Monster und stellen überall Rekorde auf. Ich mag die Vergleiche nicht, schon gar nicht, so lange sie noch spielen und wir nicht wissen, wie viel sie am Ende gewonnen haben.»
Sie hatten einen harten Halbfinal gegen Andy Murray. Waren Sie deshalb etwas müde?
«Nein. Ehrlich gesagt war ich überrascht, wie fit ich mich fühlte. Physisch hatte ich überhaupt keine Probleme. Es war mehr eine mentale Sache. Es brauchte einen grossen Effort, um in den letzten Wochen mein bestes Level zu finden und wieder Selbstvertrauen zu bekommen. Wenn du gegen Rafa nicht völlig frei bist in deinen Gedanken, auch nur ein wenig zögerst, hast du keine Chance. Das ist es, was heute passierte.»
Können Sie diese Zweifel, die sich gegen Nadal einschleichen, noch etwas präzisieren? Geht es darum, welchen Schlag man wählt oder wie man ihn spielen will?
«Deshalb sind Rafa und Roger so stark. Sie bringen dich dazu, etwas zu zögern. Wenn ich gegen Rafa spiele, auch wenn ich eine Strategie habe und grundsätzlich weiss, wie ich spielen will, gibt es immer ein kleines Zögern, eine halbe Sekunde oder weniger, in der man sich fragt, ob man voll durchzieht oder nicht. Dieses kurze Nachdenken ist so hart, weil du sofort cash bezahlst. Wenn du deinen Schlag ein klein wenig verziehst und er zu kurz ist, rückt er sofort in den Platz vor und geht zum Angriff über. Das Schwierigste gegen diese grossen Spieler ist es, nicht unüberlegt, aber ohne nachzudenken und ohne Zweifel zu spielen.»
Am US Open hatten Sie vor dem Final richtiggehend Panik. Wie fühlten Sie sich diesmal?
«Sehr nervös. Besser als am US Open, weil ich in Paris schon einmal gewonnen habe. Eine Niederlage war also nicht gleich schlimm. Trotzdem viel Stress, viele Zweifel, viele Gedanken, wie der Match laufen würde. Als ich einmal auf dem Platz war und die Ambiance gesehen habe, war die Nervosität aber weg.»