25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer kann in Ostdeutschland erstmals ein Politiker der Linken Regierungschef eines Bundeslandes werden. In einer Mitgliederbefragung votierte eine klare Mehrheit von 69,93 Prozent der Thüringer Sozialdemokraten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Linken und den Grünen.
Das teilte der SPD-Vorstand am Dienstag in Erfurt mit. Nach Abschluss der Verhandlung könnte der Landtag Linken-Spitzenmann Bodo Ramelow zum neuen Ministerpräsidenten wählen.
Die Partei Die Linke war aus der früheren DDR-Staatspartei SED hervorgegangen. Diese hatte sich während der Wende in PDS umbenannt und später in Linkspartei. 2007 hatte sich die ostdeutsche Linkspartei mit der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) zusammengeschlossen.
Bisher hat die Linke auf Länderebene nur als Juniorpartner in SPD in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mitregiert. Nur in Brandenburg ist sie derzeit noch in einer Regierung präsent.
Bei der Landtagswahl am 14. September waren die seit 24 Jahren in Thüringen regierenden Christdemokraten mit 33,5 Prozent der Stimmen erneut stärkste Partei geworden. Die Linke wurde mit 28,2 Prozent zweite. Die SPD, die seit 2009 in einer «schwarz-roten» Koalition mit der CDU von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht regierte, stürzte von 18,5 auf 12,4 Prozent ab.
Umstrittenes Bündnis
Über das erste rot-rot-grüne Bündnis auf Länderebene wird in Deutschland seit Wochen kontrovers diskutiert. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck, ein früherer DDR-Dissident, hatte sich kritisch über die Regierungsfähigkeit der SED-Nachfolger geäussert.
Spitzenkandidat Ramelow stammt aber nicht aus der DDR, sondern kam nach der Wiedervereinigung aus Westdeutschland nach Thüringen. Die ostdeutsche SPD war 1989 rund zwei Monate vor dem Mauerfall von DDR-Dissidenten gegründet worden.
Die 4300 Thüringer SPD-Mitglieder waren nun aufgerufen, über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abzustimmen, die der Landesvorstand bereits einstimmig empfohlen hatte. Die Vorstände der Linken und der Grünen haben schon einstimmig für den Start des rot-rot-grünen Regierungsprojekts votiert.
Mit der Wahl des Ministerpräsidenten im Erfurter Landtag wird nicht vor Dezember gerechnet.