Dass somalische Mädchen wegen ihres Kopftuches von der Schule nach Hause geschickt wurden, wirft in der betroffenen Gemeinde Au-Heerbrugg im St. Galler Rheintal Wellen. Der Schulratspräsident distanziert sich vom Schritt der Schulleitung.
Von einem Ausschluss vom Schulunterricht zu sprechen, geht Schulratspräsident Walter Portmann viel zu weit.
Weil sie ein Kopftuch trugen, waren die zwei somalischen Mädchen auf Weisung der Schulleitung der Primarschule Au-Heerbrugg nach Hause geschickt worden. Von einem Ausschluss vom Schulunterricht zu sprechen, geht Schulratspräsident Walter Portmann aber viel zu weit.
Die Sendung «10vor10» des Schweizer Fernsehens berichtete am Donnerstagabend über den Fall – ein Fall, bei dem es Kommunikationsprobleme gegeben habe, wie Portmann am Freitag der Nachrichtenagentur sda sagte.
Die sieben Kinder der Flüchtlingsfamilie aus Somalia sind seit dem vergangenen Jahr im St. Galler Rheintal; die Eltern leben schon länger in der Schweiz. Seit Herbst 2012 besuchen die beiden Mädchen und zwei ihrer Brüder laut Portmann den Deutschunterricht für fremdsprachige Kinder an der Primarschule Au-Heerbrugg.
Für den Besuch dieses Unterrichts habe die Schulleitung geduldet, dass die beiden Mädchen ein Kopftuch trugen. Dies obschon die Schule einer Empfehlung des St. Galler Erziehungsrats aus dem Jahr 2011, ein Kopfbedeckungsverbot durchzusetzen, im Grundsatz Folge leistet.
Mädchen mehr Zeit geben
Portmann sagt, Schulleitung und Schulrat hätten mit der Mutter das Integrationsprozedere besprochen und darauf hingewiesen, dass in den Regelklassen kein Kopftuch getragen werden dürfe. Er glaube, die Mutter habe das verstanden, sagt der Schulratspräsident. Geplant war, die Kinder nach den Sommerferien in die Regelklassen zu nehmen.
Das geschah nun schon früher. «Wohl zu früh», sagt Portmann. «Die zwei Mädchen brauchen einfach noch mehr Zeit für die Integration.» Man müsse auch unterscheiden, ob ein Kind ein Kopftuch trage, dessen Eltern schon Jahre lang hier sind, oder ein Kind, das erst vor einigen Monaten aus einem Kriegsgebiet in die Schweiz kam.
Der Schulratspräsident jedenfalls ist nicht glücklich darüber, dass die beiden Mädchen wegen des Tragens eines Kopftuchs nach Hause geschickt wurden. «Wir müssen den Kindern mehr Zeit geben», sagt er. Den Deutschunterricht für Fremdsprachige besuchen die beiden Mädchen weiterhin – mit Kopftuch. Ihre Brüder gehen auch in die Regelklasse.
Kritik wird laut
Für Tilla Jacomet von der Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende des Hilfswerks Heks ist es untragbar, Schülerinnen wegen eines Kopftuchs von der Schule zu weisen, wie sie in «10vor10» sagte. Am Freitag äusserte sich auch der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS). Die Haltung der Rheintaler Schule sei «islamophob und verfassungswidrig».
Bundesgerichtsentscheid hängig
Der IZRS verweist in seinem Communiqué auf einen anderen Kopftuch-Fall in der Ostschweiz, der beim Bundesgericht hängig ist. In Bürglen TG wurde 2011 zwei albanischen Mädchen das Tragen eines Kopftuchs verboten. Deren Familien wehrten sich gegen den Entscheid der Schule und bekamen vom Thurgauer Verwaltungsgericht Recht.
Mit dem Weiterzug vor das Bundesgericht will die Thurgauer Schule nun einen Grundsatzentscheid erwirken. In Basel wollte ein muslimisches Elternpaar seine zwei Töchter nicht in den gemischten Schwimmunterricht schicken und erhielt von der Schule eine Busse von 1400 Franken. Dies zu Recht, wie das Bundesgericht in diesem Frühling entschied.