Bartgeier Schils ist wieder umgezogen. Er weilt jetzt im Engadin, genauer im Nationalpark. Das Engadin ist beliebt bei Schils‘ Artgenossen.
«Das Engadin ist ein Hotspot für Bartgeier», sagte Daniel Hegglin von der Stiftung Pro Bartgeier (SPG) am Freitag zur Nachrichtenagentur sda. Dieses Jahr brüteten dort sieben Paare.
Schils ist also nicht allein. In die Quere kommen sich die Tiere wenig, sagte Hegglin. Höchstens, wenn einer zu nahe am Horst vorbeifliegt, reklamieren die «Hausherren».
Bartgeier sind laut Hegglin nämlich nicht so territorialbezogen, wie etwa Adler. Von letzteren brüten in der Schweiz rund 340 Paare. Und dies, nachdem die majestätischen Vögel hierzulande einst fast ausgerottet waren.
Es ist ein gesunder, aber doch fragiler Bestand, wie Matthias Kestenholz von der Vogelwarte Sempach sagte. Viel mehr Adlerpaare hätten in der Schweiz keinen Platz angesichts der grossen Territorien, die sie vehement verteidigen.
Reise ans Meer
Schils ist ein weit gereister Bartgeier. Im Februar 2014 war er im Zoo de la Garenne VD geschlüpft und wurde im Alter von einigen Monaten im st. gallischen Calfeisental ausgewildert. Anfang Juni 2015 machte er sich auf, die Welt zu entdecken. Er flog bis ans Meer. Dort aber fand er nichts zu fressen.
In Holland wurde Schils völlig entkräftet aufgegriffen, aufgepäppelt und in die Schweiz zurückgebracht. Ende Juni wurde er erneut in die Freiheit entlassen, diesmal bei Melchsee-Frutt in Obwalden.
Dort war Schils im Herbst zuvor schon ein paar Mal gewesen. Er kannte also die Gegend. Zudem hatte er Gesellschaft: Kurz zuvor waren drei junge Geierweibchen dort ausgewildert worden.
Dies wird laut Hegglin jeweils gemacht, wenn die Vögel etwa 90 bis 100 Tage alt sind und noch nicht fliegen können. Das lernen sie mit etwa 110 bis 130 Tagen. Bis dahin werden sie von Bartgeier-Fachleuten regelmässig gefüttert. Später lernen sie, sich selbst zu versorgen.
«Ein guter Geierplatz»
Die Innerschweiz passte Schils aber auch nicht. Er suchte eine neue Bleibe. Und es zog ihn dorthin, wo es viele Bartgeier hinzieht: Ins Engadin. Dort, im Nationalpark, sei er jetzt schon einige Tage. es gehe ihm gut, sagte Hegglin.
Das Engadin sei «ein guter Geierplatz». Dort waren seit 1991 immer wieder Bartgeier ausgewildert worden. Drei Paare brüten regelmässig seit 2007/08, fünf seit mindestens zwei Jahren. In diesem Jahr wurden sieben Paare gesichtet.
Auch die drei Geierdamen bei Melchsee-Frutt sind laut Hegglin wohlauf. Bereits hätten sie Herrenbesuch gehabt: Ein in Freiheit geborener Bartgeier weilte vorübergehend in der Gegend. Allerdings wird bei Bartgeiern nichts überstürzt: Frühestens in fünf, wenn nicht erst in zehn Jahren erwartet Hegglin dort erste Brutpaare.