Der dunkle Schatten der Missbrauchsskandale belastet den Vatikan vor dem Konklave für die Wahl des Nachfolgers von Papst Benedikt XVI. Nach US-Kardinal Roger Mahony geraten vier Kardinäle wegen ihres umstrittenen Umgangs mit den Skandalen unter Druck.
Zu ihnen zählt der belgische Kardinal Godfried Danneels. Vor drei Jahren hatte die Polizei seine Wohnung durchsucht und seinen Computer beschlagnahmt, um festzustellen, ob er über Missbrauchsfälle in der belgischen Kirche zwischen den Sechziger- und Achtzigerjahren informiert war.
Auch der irische Primas Sean Brady wurde beschuldigt, die Skandale rund um pädophile Priester in seiner Heimat verheimlicht zu haben. Der Kardinal hatte im vergangenen Mai Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen in den Siebzigerjahren eingeräumt.
In den USA geriet Kardinal Justin Rigali, Erzbischof von Philadelphia, ins Visier von Anti-Pädophilie-Verbänden. Ihm wird vorgeworfen, keine Aufklärungsarbeit in 37 Verdachtsfällen des sexuellen Missbrauchs geleistet zu haben.
Ähnliche Vorwürfe wurden gegen Australiens obersten katholischen Würdenträger, Erzbischof George Pell von Sydney, erhoben. Eine von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission befasst sich seit vergangenem November mit dem Missbrauch von Kindern in der australischen katholischen Kirche.
Mahoney will am Konklave teilnehmen
Roger Mahoney, früherer Erzbischof von Los Angeles, soll Dutzende Missbrauchsfälle seiner Diözese vertuscht haben. Eine Vereinigung von US-Katholiken und italienischen Anti-Pädophilie-Verbände hatte deshalb erklärt, die Teilnahme Mahonys am Konklave verhindern zu wollen.
Mahony scheint jedoch nicht bereit, auf seine Reise nach Rom zu verzichten. „Ich plane, in Rom zu sein, um den neuen Papst zu wählen“, schrieb der Kardinal zuletzt auf seinem Twitter-Account. Nach den geltenden Normen habe jeder Kardinal unter 80 das Recht und die Pflicht, zum Konklave zu erscheinen, verlautete in Rom.
Mögliches Dekret zu vorgezogenem Konklave
Benedikt XVI. erwägt derweil „Präzisierungen“ zu der im März anstehenden Wahl seines Nachfolgers. „Der Papst ist dabei, die Möglichkeit der Veröffentlichung eines Motu proprio (Dekrets) in den kommenden Tagen zu prüfen“, erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Mittwoch.
Benedikt XVI. hat seinen Rücktritt für den 28. Februar angekündigt. Gemäss der Regeln, die Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. in der apostolischen Verfassung „Universi dominici gregis“ festgelegt hatte, müsste das Konklave aus 117 Kardinälen zwischen dem 15. und dem 20. März zusammentreten.
In dem Text heisst es, ab dem Tag, an dem der Papststuhl vakant sei, müssten die bereits im Vatikan versammelten Kardinäle „volle 15 Tage“ auf die abwesenden Kardinäle warten. Zuletzt war mehrfach über eine frühere Zusammenkunft des Konklaves spekuliert worden, nachdem sich offenbar mehrere Kardinäle dafür ausgesprochen hatten.