Ein Journalist muss seine Vorwürfe beweisen können – das Strafrecht gelte auch für die Presse, hat das Bezirksgericht Zürich am Freitag festgehalten. Es sprach «Weltwoche»-Autor Philipp Gut der üblen Nachrede schuldig.
In mehreren Artikeln schrieb Philipp Gut von «Vetterliwirtschaft», von «Beziehungskorruption» und von einem «extremen Fall von Befangenheit».
Ab Oktober 2014 wiederholte er in der «Weltwoche» mehrmals seinen Vorwurf: Geschichtsprofessor Philipp Sarasin soll an der eigenen Forschungsstelle an der Universität Zürich seiner Geliebten Svenja Goltermann zu einer Professorenstelle verholfen habe. Beim Berufungsverfahren, das von 2009 bis 2011 dauerte, sei er nicht in den Ausstand getreten.
Das seien gravierende Vorwürfe, die Gut als stellvertretender Chefredaktor der «Weltwoche» in einer breit angelegten Kampagne erhoben habe, hielt der Richter während seiner langen Urteilsbegründung fest. Die beiden Professoren seien massiv verunglimpft worden.
Die Quellen und deren Schutz
Philipp Gut machte geltend, dass er seine Aussagen auf ein gutes halbes Dutzend vertrauenswürdige Quellen aus dem direkten Umfeld Sarasins stützen könne. Seine Quellen nannte er vor Gericht – wie zuvor in der Untersuchung – aber nicht.
Er begründete dies mit dem Quellenschutz: Würden seine Informanten bekannt, könnten diesen nachteilige Folgen, etwa die Kündigung, drohen. «Der Quellenschutz geht über alles, auch über eine allfällige Verurteilung.»
Guts Verteidiger ging in seinem Plädoyer auf die Rolle der Medien ein. Journalisten müsse es möglich sein, Missstände aufzudecken, meinte er.
Der Rechtsvertreter der beiden Professoren, die gemäss eigenen Angaben erst 2013 ein Paar wurden, sprach indes von «beispiellos unverantwortlichem Journalismus». Der «Weltwoche»-Autor habe eine Diffamierungskampagne geführt und bringe «nichts Konkretes vor, um seine Vorwürfe auch nur im Entferntesten zu begründen».
Der Staatsanwalt sprach von einer «erfundenen Geschichte». Er merkte – wie der Rechtsvertreter der Professoren – zudem an, dass der Quellenschutz im vorliegenden Fall nicht greifen könne. Ein Journalist könne nicht ehrverletzende Aussagen machen, um sich dann hinter nicht genannten Quellen zu verstecken.
Pressefreiheit ist kein Freibrief
Zum selben Schluss gelangte das Bezirksgericht Zürich: «Das Strafrecht gilt auch für die Presse», hielt der Richter fest. Ein Journalist geniesse keinerlei Privilegien bei Ehrverletzungsdelikten. Er könne nicht ungerechtfertigte Vorwürfe erheben, und sich dann auf die Pressefreiheit berufen. «Es gibt keinen Freibrief.»
Gut hätte nachweisen müssen, dass seine Angaben stimmen – oder dass er zumindest in gutem Glauben davon ausgehen konnte, dass sie der Wahrheit entsprachen. Weil er seine Quellen nicht benannte, konnte das Gericht dies nicht prüfen. Es gelangte deshalb zum Schuldspruch.
Das Gericht bestrafte den Journalisten mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagesätzen à 130 Franken sowie einer Busse von 5000 Franken. Er muss zudem die Anwaltskosten der beiden Professoren im Umfang von über 32’000 Franken übernehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Obergericht weitergezogen werden.
Der Rechtsvertreter der Professoren zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Es bestätige, was seine Klienten von Beginn an gesagt hätten: Dass sie «durch eine unwahre, verleumderische Pressekampagne schwer in ihrer Ehre verletzt worden» seien.
Die Verhandlung vom Freitag betraf den strafrechtlichen Teil der Auseinandersetzung. Am Bezirksgericht Zürich ist in der selben Sache auch ein Zivilverfahren hängig. Die beiden Professoren Sarasin und Goltermann haben gegen Gut eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung eingereicht. Sie fordern eine Genugtuung in einer vor Gericht nicht bezifferten Höhe.