Für seine Klimaschutz-Ziele erntet der Bundesrat wenig Applaus. Diese seien Gift für den Wirtschaftsstandort Schweiz, wettert die SVP. Auch die Wirtschaft hält die Ziele für zu ehrgeizig. Den Grünen und Umweltschutzverbänden wiederum gehen die Ziele zu wenig weit.
Als «völlig ungenügend» beurteilt die beispielsweise die Klima-Allianz Schweiz die Ziele des Bundesrats. «Wenn sich alle Länder so bescheidene Ziele setzen, besteht keine Chance, die Erwärmung des Weltklimas unter 2 Grad zu halten», teilte die Klima-Allianz am Freitag mit. Hinter dem Bündnis stehen mehr als 50 Organisationen aus Umweltschutz, Entwicklungszusammenarbeit und Politik.
Die Ziele seien insgesamt zu ehrgeizig, sagte hingegen Kurt Lanz, Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse, auf Anfrage der sda. Zwar begrüsse es economiesuisse, dass ein Teil der Reduktion mit Projekten im Ausland erreicht werden soll.
Das Ziel, mit Massnahmen im Inland bis 2030 eine Reduktion von 30 Prozent zu erreichen, sei indes unrealistisch. Die Schweizer Wirtschaft sei bereits sehr energieeffizient, auch sei der Kostendruck jetzt schon hoch.
Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) bezeichnete die Reduktionsziele als ambitiös. Ob sie erreicht werden können, hänge davon ab, wie viel Freiraum bei der Umsetzung gewährt werde. Die Reduktion von Emissionen würden derzeit durch bürokratische Vorschriften erheblich erschwert, beklagt der sgv. Er erwarte vom künftigen Klimaregime mehr unternehmerische Freiheit.
Reduktion um 50 Prozent bis 2030
Der Bundesrat will den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Mindestens 30 Prozent der Reduktionen sollen im Inland erzielt werden, 20 Prozent mit Projekten im Ausland. Das hat Umweltministerin Doris Leuthard am Freitag bekannt gegeben.
Bis 2050 soll die Schweiz gar 70 bis 85 Prozent weniger Treibhausgase ausstossen. Nach geltendem Recht muss bis 2020 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 erreicht werden. Massnahmen im Ausland werden dabei nicht angerechnet. Die entsprechende internationale Verpflichtung mit einer Änderung des Kyoto-Protokolls ist derzeit im Parlament hängig.
Anstrengungen reichen nicht
Ziel der Bemühungen ist es, den globalen Temperaturanstieg auf 2 zu beschränken. «Derzeit befinden wir uns auf einem Pfad, der zu einem Anstieg von 4 Grad führen wird», rief Leuthard vor den Bundeshausmedien in Erinnerung. Die globalen Anstrengungen, den Trend umzukehren, reichten nicht aus. «Steigt die Temperatur weiter an, ist mit gefährlichen, nicht umkehrbaren Auswirkungen zu rechnen», sagte sie.
Die Arbeit an einem Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll sind bereits im Gang. Die Konvention, mit der sich alle UNO-Mitglieder für die Periode 2020-2030 zu Reduktionszielen verpflichten sollen, wird voraussichtlich Ende Jahr an der Klimakonferenz in Paris unterzeichnet.
Unterschiedliche Ziele
China mit dem höchsten CO2-Ausstoss stellte in dem Rahmen bis 2030 eine Stabilisierung in Aussicht. Die USA kündigten an, ihre Emissionen bis zum Jahr 2025 um 26 bis 28 Prozent senken zu wollen. Die EU-Staaten haben ein Reduktionsziel von 40 Prozent beschlossen.
Für die Schweiz hält Leuthard eine Reduktionsverpflichtung von 30 Prozent im Inland und 20 Prozent im Ausland für ambitioniert, aber «machbar». Höhere Ziele, wie sie Umweltorganisationen wünschen, hält sie nicht für realistisch. Diese müssten ja dann auch tatsächlich umgesetzt werden können, sagte sie. «Wir stehen in der Pflicht, dass wir das, was wir sagen, auch tun.» Sonst mache sich die Schweiz unglaubwürdig.
Eine Antwort darauf, wie das angepeilte Reduktionsziel erreicht werden könnte, blieb Leuthard allerdings schuldig. Sie tönte zwar an, dass es ein Nachfolgeprogramm für das auslaufende Gebäudeprogramm brauche oder eine Ausweitung der technischen Vorschriften für Fahrzeuge. Eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffen hingegen hält sie nach wie vor nicht für mehrheitsfähig, wie sie sagte. Eine solche fasst der Bundesrat für die zweite Etappe der Energiestrategie 2050 ins Auge.
Effizienter im Ausland
Dass ein Teil der Reduktionsziele im Ausland erreicht werden soll, begründete Leuthard mit der höheren Effizienz der Massnahmen. Die Schweiz habe bereits einen tiefen Ausstoss. Weitere Senkungen seien daher verhältnismässig teurer als im Ausland. Irgend einmal machten Investitionen in der Schweiz keinen Sinn mehr, wenn im Ausland mit dem gleichen Geld doppelt oder viermal so viel herausgeholt werden könne.
Als Modell für Projekte im Ausland könnten etwa die Aktivitäten der Stiftung Klimarappen im Ausland dienen. Denkbar ist laut Leuthard auch, dass die Schweiz Reduktionsprojekte im Ausland direkt unterstützt, etwa im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.
Die Schweiz habe viel erreicht in den letzten Jahren, betonte Leuthard. Der Ausstoss an Treibhausgasen sei heute tiefer als 1990, während die Wirtschaft um 36 Prozent gewachsen sei. «Die Entkoppelung von Wachstum und Reduktion von Treibhausgasemissionen ist also gelungen», sagte die Umweltministerin an die Adresse jener Wirtschaftsvertreter, die in den Reduktionszielen eine Wachstumsbremse sehen.
Davon wird die Umweltministerin dereinst auch das Parlament überzeugen müssen. Eine Vernehmlassungsvorlage zu den Reduktionszielen und -massnahmen nach 2020 will der Bundesrat dem Parlament bis Mitte 2016 vorlegen.