Wer Dürrenmat sagt, muss nicht automatisch auch Frisch sagen

Sie sind die beiden grossen Köpfe der schweizer Literaturlandschaft. Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch werden häufig im selben Atemzug genannt. Logisch, sie sind schliesslich die grössten Schriftsteller, welche die Schweiz in den letzten 100 Jahren hervorgebracht hat. Die zwei berühmtesten Köpfe der Schweizer Literaturszene waren jahrelang befreundet, lasen die Manuskripte […]

Die beiden Autoren verband zeitweise eine innige Freundschaft, welche später in offene Feindschaft und schliesslich in Gleichgültigkeit umschwang.

Sie sind die beiden grossen Köpfe der schweizer Literaturlandschaft. Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch

Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch werden häufig im selben Atemzug genannt. Logisch, sie sind schliesslich die grössten Schriftsteller, welche die Schweiz in den letzten 100 Jahren hervorgebracht hat. Die zwei berühmtesten Köpfe der Schweizer Literaturszene waren jahrelang befreundet, lasen die Manuskripte des anderen gegen, waren ihre strengsten Kritiker und glühendsten Anhänger zugleich. Schliesslich «entfreundeten» sie sich, wie Dürrenmatt in einem späten Brief an Frisch es ausdrückte und wurden einander am Ende gleichgültig.

Obwohl beide verschieden und auf ihre eigene Weise die deutschsprachige Literaturlandschaft entscheidend geprägt haben, gibt es gute und vernünftige Gründe, weshalb Dürrenmatt fresher ist als Frisch.

Die beiden Autoren verband zeitweise eine innige Freundschaft, welche später in offene Feindschaft und schliesslich in Gleichgültigkeit umschwang.

Die beiden Autoren verband zeitweise eine innige Freundschaft, welche später in offene Feindschaft und schliesslich in Gleichgültigkeit umschwang.

 

Friedrich Dürrenmatt war kein Moralapostel

Friedrich Dürrenmatt war sicherlich nicht der schweizerische National-Hofnarr, für die ihn Zeit seines Lebens viele hielten. Wie Max Frisch sah auch er sich in der Rolle des kritischen Zeitzeuges. Durch Überspitzung bis hin zur Groteske hielt er der Schweiz den Spiegel vor, er war ein Querschläger ein Enfant Terrible, manchmal fast zynisch in seiner Kritik. Was also unterscheidet ihn von seinem Zeitgenossen?

Dürrenmatt schaffte es, im Gegensatz zu Frisch, seine Kritik auf eine Weise zu formulieren, dass dem Publikum nach dem Lesen nicht der fahle Nachgeschmack von Moralin im Munde hängenblieb. Im Gegensatz zu Frisch der ständig etwas hinterherjagte, sei es ener Frau, einer Idee, einem Bauprojekt oder einer besseren Gesellschaft, war für Dürrenmatt klar: Es gibt kein Utopia. Folglich wollte er im Leser auch nicht die Sehnsucht einer möglichen Aussicht darauf wecken. Er zeigte die Welt wie er sie sah, eine Welt in der es keine ausgleichende Gerechtigkeit gab und auch keine absoluten Wahrheiten. 

Dürrenmatt schrieb auch über andere Sachen als nur sich selber

Wer einen Dürrenmatttext in den Händen hält, kann sich sicher sein, einen humorvollen, zynischen bis zuweilen grotesken Kommentar zu damaligen Problemen in der Gesellschaft oder der Politik zu besitzen. Und keine als Gesellschaftskritik getarnte, teilweise Autobiographie, wie Frisch es zu tun pflegte. «Letztlich ist er selbst sein einziges Thema», wird Manfred Papst, Kulturchef der NZZ im Stern zitiert. Was uns zum nächsten Punkt bringt:

Dürrenmatt missbrauchte sein Privat- und Eheleben nicht als Romanvorlagen

Böse Zungen könnten behaupten, das liegt daran, dass Dürrenmatt eben ein Langweiler war. Wenn man ihn mit seinem rastlosen, beinahe schon getriebenen Zeitgenossen Max Frisch vergleicht, könnte man diesen Eindruck bekommen. Im Gegensatz zu ihm hatte Dürrenmatt bescheidenen Erfolg bei den Frauen und ein spiessbürgerliches Leben. Der Eindruck täuscht. Auch bei den Dürrenmatts krachte es wegen Seitensprüngen von Zeit zu Zeit gewaltig, nur musste das dann nicht als Idee für eine neue Geschichte herhalten.

Anders bei Frischs zu Hause. In seinem Werk, welches zu einem grossen Teil auch aus (fiktionalisierten) Tagebüchern und Essays besteht, findet der Leser haufenweise Anekdoten aus dem Beziehungsleben. So zum Beispiel in Frischs Erzählung «Montauk», in welchem er den Seitensprung mit seiner amerikanischen Verlagsassistentin in einen Roman verwurstelt – zum Leidwesen seiner Frau.

Kann man interessant, tiefgründig und selbstreflexiv finden, muss man aber nicht.

Dürrenmatt kam weitestgehend ohne Stereotypen aus

Die Anders als sein Kollege Frisch, mit dem er sich die literarische Bearbeitung ähnlicher Themen teilte (Beziehungen zwischen den Geschlechtern, Die Entfremdung des Menschen von der Gesellschaft und sich selber im Zeitalter der Industrialisierung). Die Frauencharaktere beider Autoren waren in der Regel wirklich fortschrittlich oder emanzipiert. Dabei darf nicht verwechselt werden, dass die Rolle der Frau in den Schemata Heilige, Hure oder Opfer nicht notwendigerweise die persönliche Sicht der beiden Autoren widerspiegelten. Sie können auch so konzipiert worden sein, um die Probleme der damaligen Gesellschaft widerzugeben.

Bei Dürrenmatt brachen sie wenigstens manchmal aus der Randfigurenrolle aus.

Dürrenmatt kratzte nicht nur an der Oberfläche…

…sondern tauchte tief in die Missstände des 20. Jahrhunderts ein. Kritiker und auch Anhänger von Dürrenmatt und Frisch sind sich einig, Dürrenmatts Texte sind um einiges vielschichtiger als die seines Kollegen. Frisch selbst gab zu Zeugnis: «‹Der Besuch der alten Dame› ist bedeutender als alles, was ich je hervorgebracht habe. (ICH SUCHE HIERFèR NOCH DEN LINK ZUM ZEITUNGSARTIKEL! HABE IHN VERHÜEHNERET!)

Dürrenmatt kommt ohne wehleidigen Weltschmerz aus

Das Sich-ein-Leben-lang-unverstanden-Fühlen, der Hang zum Pathos und seiner Unfähigkeit, in seinen Beziehungen zu Frauen glücklich zu werden zementieren das Bild von Frisch als dem Intellektuellen, der am Zeitgeist scheitert. Max Frisch wird so zur fleischgewordenen Pointe von jedem «How many male novelists does it take to screw in a lightbulb»-Witzes. Ein Mann, für den die (Frauen)Welt noch nicht bereit ist, ein Mann, dessen Hauptthema in seinem Schaffen er selber ist.

Bestes Beispiel für diese Krise ist «Homo Faber», in der Frisch feuchte Altmännerfantasien zu Papier bringt. Wer träumt schon nicht von einer inzestuösen Beziehung zur eigenen Tochter, die man nicht aufwachsen gesehen hat und zufällig auf einer Kreuzfahrt kennenernt. Wie bescheiden ist es doch, dass das einzig liebenswerte Wesen, welches einen vermeintlich glücklich machen kann, von einem selbst geschaffen, bzw. gezeugt wurde.

Danke, Dürrenmatt, dass du uns solch autobiographisches Selbstmitleid erspart hast!

7. Friedrich Dürrenmatt hat seinen eigenen Asteroiden.

Das Beste zum Schluss: Dürrenmatt, welcher selbst ein eigenes literarisches Universum erschaffen hatte, wurde im Jahr 2000 auch physisch Teil unseres Sonnensystems. Im Jahr 2000 wurde dem Schweizer Schriftsteller und Denker ein Asteroid gewidmet. «(14041) Dürrenmatt», so der Name des Himmelskörpers, befindet sich im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und umkreist dort in einem Rhythmus von 3.5 Jahren die Sonne. Was sind schon poplige Briefmarken und Gedenktafeln dagegen?
 

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