3 Oscars. 3 künstlerischen Bestleistungen. Und ein Film darüber, wie man zu künstlerischer Höchstleistung kommt. Mit Drill. Der Musikerfilm «Whiplash» ist eine Wucht – und irrt genau damit.
«Whiplash» ist nicht nur für Bestleistungen mit 3 Oscars ausgezeichnet worden(Bester Nebendarsteller (der knochenharte J.K. Simmons hat selber Filmkomposition studiert, Bester Schnitt und Bester Ton), sondern der Film handelt auch selber vom Streben nach künstlerischer Bestleistung.
Der Lehrer Fletcher in «Whiplash» besteht auf Höchstleitung. Der Schüler Andrew will die Höchstleistung bringen. Also begegnen sich zwei, die sichgegenseitig brauchen. Das ergibt über weite Strecken eine faszinierende Begegnung zweier Alpha-Tiere. Aber wird damit der pädagogische Beweis angetreten, dass in der Kunst ein Weg ist, wo ein Wille das will?
Aber ehe Sie Weiterlesen etwas fürs Ohr:
Mit Bestleistung zu grosser Kunst
Andrew Neyman (Miles Teller) will ein grosser Schlagzeuger werden. Am Shaffer-Konservatorium hat er nur eines im Sinn. Er will Unterricht bei dem gefürchtetsten Lehrer der Schule. Aber ist der gefürchtete Lehrer auch der beste Lehrer? Und wird, wer beim Besten lernen darf, auch der beste Künstler sein?
Lehrer-Schüler-Geschichten sind allein deshalb für ein Publikum faszinierend, weil im Zuschauerraum lauter ehemalige Schüler sitzen. «Stand and Deliver» oder «Dead Poets Society» waren ähnlich gelagerte filmische Versuchsanordnungen, die dem pädagogischen Geheimnis der Formung eines Talents auf der Spur waren.
Jeder war selber einmal Schüler – also kennen auch alle die Fragestellung. Jeder weiss, wie man reüssiert, scheitert, zur Elite gehört oder einfach Angst vor dem untergehen hat. Aber nicht jeder verbindet den Wunsch der Beste zu sein, mit dem Wunsch vom Besten zu lernen.
Die lernbare Kunst – das Kunsthandwerk
In «Whiplash» sieht der Lehrer, Fletcher, Höchstleistung als einzigen Weg zur künstlerischen Vollendung. Das führt rasch in ein leicht durchschaubares Muster. Im erweiterten Schüler-Lehrer-Plot hält sich die Spannung bald nur noch wie in einem wie ein immer schneller werdender Trommelwirbel – gleichförmig.
Andrew, der junge begabte Schlagzeuger, sucht seinen Übervater. Dabei stösst er auf einen Meister. Aber, das ist der spannende Irrtum von «Whiplash», er trifft nicht nur auf einen Meister seines Fachs. Er trifft auch auf einen Meister der Manipulation.
Pablo Picasso umriss Talent einst mit leichter Hand so: «Als Kind ist jeder ein Künstler». Picasso machte im Nachsatz auch deutlich, wo die Auseinandersetzung mit der Kunst beginnt. «Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.»
Andrew wird nur langsam erwachsen in diesem Drill. Nur langsam entwickelt sich in all dem Zwang der Wunsch nach Freiheit. Lange folgt der jugendliche Andrew in aller Naivität dem Despot der Schulband, erkennt seine Forderungen, und sucht seine Förderung und findet seinen Meister – Fletcher stösst ihn in ein Tal der Tränen – dorthin, wo sich kaum ein Film über das Lehrer-Schüler-Verhältnis bis jetzt gewagt hat.
Der Drill auf dem Weg zur Meisterschaft
Andrew kämpft um seine künstlerische Freiheit, wie ein Boxer um seine Meisterschaft. Der Lehrer mutiert immer mehr zum «Schleifer», sein Student zum Streber. «Auch Charlie Parker», betont Fletcher, «sei erst zum «Bird» geworden, nachdem man ihm eine eine Hi-Hat nachgeschmissen hat».
«Whiplash» macht uns glauben, Drill führe letzlich auf den Weg zur musikalischen Meisterschaft. Damit ist «Whiplash» zwar eine faszinerende Abhandlung über den Fleiss im Kunsthandwerk, aber nicht wirklich ein Beitrag zur Bildung in der Kunst. Buddy Rich ist wohl kaum nur durch Drill zu einem der grössten Schlagzeuger geworden.
Entsteht Kunst als Bestleistung
Man könnte «Whiplash» aber auch als einen Beitrag zu einer neuen Elite-Pädagogik sehen. Nicht zufällig ist die fiktive Jazz-Schule nur eine Erfindung (und lehnt sich an die Julliard an). Kaum ein Institut würde einen derartigen pädagogischen Drill als sein Aushängeschild sehen wollen. Aber Eltern würden vielleicht dennoch gerne danach suchen.
Der Lehrer dieser Jazz-Schule, Terence Fletcher, erinnert eher an Sergeant Hartman aus «Full Metal Jacket», oder einen Boxtrainer, denn an einen künstlerisch musikalischen Meister.
Zur Entspannung ein paar Schlagzeugsoli:
«The Animal» aus der Muppet-Show
Gene Krupa mit der Benny Goodman Big Band «Sing Sing Sing»
Tony Royster jr. «Caravan»
Charly Antolini «Caravan»
Buddy Rich in «Caravan»
Buddy Rich «A little Trane»‘
Und noch einmal Buddy Rich: «The impossible Drum Solo»
Der Film läuft in den Kult-Kinos.