Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat Angriffe von FDP-Präsident Philipp Müller gekontert. Sie habe nicht vom automatischen Informationsaustausch mit anderen Ländern über Steuer- und Bankkontendaten gesprochen, hielt sie fest.
Sie fordere aber konstruktive Diskussionen ohne ideologische Scheuklappen, sagte Widmer-Schlumpf in einem Interview mit dem „SonntagsBlick“. „Welche Informationen sind nötig, damit wir das Ziel, in der Schweiz keine unversteuerten Konten mehr zu haben, auch wirklich erreichen?“. Das sei die Kardinalfrage. Zu diesem Ziel hätten sich ja alle bekannt, auch die Banken.
Widmer-Schlumpf: Über Alternativen nachdenken
Und auf den Vorwurf Müllers, sie sei dem Bundesrat in den Rücken gefallen, weswegen ihr das Dossier entzogen werden solle, sagt die scheidende Bundespräsidentin: „Ich stehe hinter dem vom Bundesrat verabschiedeten Finanzmarktbericht, ebenso hinter dem Modell der Abgeltungssteuer.“ Es solle aber „keine Denkverbote“ geben.
Die Abgeltungssteuer sei ein gutes Modell – für Vergangenheit und Zukunft. „Aber wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, welche Alternativen es geben würde, falls wir mit unserem Modell nicht weiterkommen“, sagt Widmer-Schlumpf.
Mehr Druck der EU auf die Schweiz in Sachen Steuern erwartet EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Es gehe um Steuerehrlichkeit, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit, sagte die Luxemburgerin im Interview mit der „SonntagsZeitung“. Man könne keinen gemeinsamen Binnenmarkt haben, „der voll von Steuerschlupflöchern ist“.
Widmer-Schlumpf und Reding äusserten sich in den Interviews auch zum bilateralen Weg der Schweiz und der EU. Die Bundespräsidentin hält den bilateralen Weg für gangbar, gibt allerdings zu bedenken, dass die Schweiz mit den 27 Mitgliedsstaaten rund 120 Verträge hat und diese Situation immer schwieriger zu handhaben sei.
Reding: Regeln für Teilnahme am Binnenmarkt
„Hier müssen wir diskussionsbereit sein für Anpassungen bei institutionellen Weiterentwicklungen“, sagt Widmer-Schlumpf, ohne konkreter zu werden. „Wir sind mit den statischen bilateralen Verträgen am Ende“, hielt Reding dagegen.
Die Schweiz müsse entscheiden, wie sie sich entwickeln wolle. Doch: „Eine unabhängige, internationale Gerichtsbarkeit ist das Minimum.“ Zur von der Schweiz vorgeschlagenen Überwachungsbehörde sieht sie „grossen Diskussionsbedarf“.
Zum Einwand, dass viele Schweizer grösste Mühe hätten mit der Vorstellung, dass ihr Land automatisch EU-Recht übernehmen müsste, sagte Reding: „Will die Schweiz teilnehmen am grossen Binnenmarkt der EU?“. Wolle sie das nicht, müsse sie auch kein Recht übernehmen. Falls sie teilnehmen wolle, „gibt es Regeln“.