Nach den Parlamentswahlen spekulieren die Schweizer Zeitungen über einen möglichen zweiten SVP-Bundesratskandidaten und die Zukunft von Eveline Widmer-Schlumpf. Mit den Mitte-Parteien, den «Wahlverlierern», gehen die Kommentatoren hart ins Gericht.
Das Denken in Blöcken habe etwas Unehrliches, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» adressiert an die Mitte-Parteien. «Gewählt worden sind am Sonntag Parteien, keine Blöcke». Grund für die «penetrante Kultivierung einer Mitte-Allianz» sei nicht etwa, dass sich CVP, BDP und Grünliberale nun plötzlich doch ineinander verliebt hätten. «Es ist die Aussicht auf Macht, die momentan verbindet.»
«Der Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz im Bundesrat ist gerechtfertigt. Wer ihr diesen weiterhin vorenthalten möchte, stützt sich einzig auf machtpolitische Überlegungen», kommentiert auch die «Südostschweiz» am Dienstag. Einzig eine Union der Mitte-Parteien hätte Widmer-Schlumpfs Sitz retten können. «Diese Chance wurde in der letzten Legislatur verpasst.»
Der SVP zugedient
«Wenn die Mitte nun ihres zweiten Sitzes verlustig geht, ist sie selber schuld», schreibt die «Nordwestschweiz» in dieselbe Kerbe. Die Parteien hätte sich längst zu einer schlagkräftigeren Einheit zusammenschliessen sollen, zumindest in Form einer Fraktionsgemeinschaft auf Bundesebene. «Widmer-Schlumpf in Ehren: Doch für die Mitte geht es mittelfristig um viel mehr.»
Die Westschweizer Zeitung «Le Matin» kritisiert, dass die Mitte-Parteien mit dem Aufspringen auf das Asyl-Thema der SVP zugedient habe. Das wiederum habe den Eindruck erweckt, dass sie nicht an ihre eigene Politik glauben würden.
Die Zeitungen «Le Courrier», «L’Express» und «L’Impartial» zeigen derweil ein mögliches Vorgehen der Verlierer auf. Die Verluste der Mitte-Parteien könnten eine Annäherung derselben bewirken, was die Chancen einer Wiederwahl Widmer-Schlumpfs erhöhe, wenn sich diese denn überhaupt erneut zur Verfügung stellen sollte.
«Den Teufel herausgefordert»
Die «Neue Luzerner Zeitung» fordert von den «Verlierern des Wahlsonntags», dass sie «ein bisschen über ihren Schatten springen», wenn es um die Frage eines zweiten Bundesratssitzes für die SVP gehe. Vielleicht weise ihnen Widmer-Schlumpf persönlich den Weg: «Mittels selbstbestimmten Rücktritts.»
Stelle sich diese dagegen erneut zur Wahl, sei das «den Teufel herausgefordert», weil sie im besten Falle auf eine minimale Mehrheit hoffen könne, schreiben «24 Heures» und «La Tribune de Genève».
Bundesrätin Widmer-Schlumpf sei «nun die Akteurin, von der die meiste Klugheit gefragt ist», schreibt der «Tages-Anzeiger». Mit Blick auf eine «qualifizierte Bewerbung» seitens der SVP wäre es demnach am besten, wenn sie eine erneute Kandidatur vorerst offen liesse. «Tritt Widmer-Schlumpf aber jetzt schon zur Seite, könnte es die SVP zu einem neuen Experiment à la Blocher verleiten.»
Diese «qualifizierte Bewerbung» scheint der «Blick» bereits gefunden zu haben: Zwar gebe es «den perfekten Kandidaten» nicht. «Aber Peter Spuhler kommt ihm verdammt nahe.» Trete er an, müsse die Bundesversammlung der Volkspartei den zweiten Sitz geben. «Noch tut sich Spuhler schwer damit. Doch auch ihm dürfte bewusst sein: Er hat keine Wahl.»