Die junge Frau, deren Kind im Februar 2012 tot auf einer Abfalldeponie in Wimmis BE aufgefunden wurde, hat ihr Kind nicht getötet. Ein Einzelrichter hat sie vom Vorwurf der Kindstötung freigesprochen.
Der Richter sprach die Mutter aber der Störung des Totenfriedens schuldig, weil sie rund vier Monate nach der Geburt den Leichnam des Säuglings in eine Abfallmulde gelegt hatte. So kam das tote Baby auf die Deponie.
Der Richter verhängte für diese Straftat eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 60 Franken, also 7200 Franken. Zudem ordnete der Richter des Regionalgerichts Berner Oberland in Thun an, dass sich die Frau einer Therapie unterzieht und eine Bewährungshilfe erhält.
Die Staatsanwältin hatte am eintägigen Prozess eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, allerdings aufgeschoben zugunsten einer ambulanten Therapie, verlangt. Die Verteidigerin beantragte einen vollumfänglichen Freispruch.
Mädchen allein zur Welt gebracht
Unbestritten war am Prozess, dass die heute 26-jährige Frau aus dem Kanton Bern im Oktober 2011 in der Wohnung ihres Vaters in Wimmis allein in der Dusche ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. Dieses lebte bei der Geburt, worauf die Frau es wusch und zu sich ins Bett nahm. Dort bekam der Säugling, der wohl eine Frühgeburt war, Atemprobleme.
Gemäss der Version, welcher der Richter Glauben schenkte, hielt die Frau, die keine Erfahrung mit Kindern hatte, die Probleme aber nicht für lebensbedrohlich. Aufgewacht aus einer Schlafphase, stellte die Frau dann plötzlich fest, dass das Kind nicht mehr atmete. Sie wickelte es in ein Tuch, legte das Bündel in eine Tragtasche und stellte die Tasche in den Estrich. Vom Baby trennen wollte sich die Mutter nicht.
In die Mulde legte sie die Tasche mit dem Leichnam, als der Vater eines Tages plötzlich den Estrich aufräumen wollte. Ihm hatte sie von der Schwangerschaft nichts gesagt. Und auch dem Kindsvater verschwieg sie ihre Umstände – und ohnehin wollten sie und ihr Freund kein Kind.
Todesursache unklar
Die Staatsanwältin warf der Frau vor, sie habe dem Kind nach der Geburt mit einem Gegenstand oder den Händen den Kopf so zusammengedrückt, dass das Mädchen Schädelbrüche erlitt. Daran sei es gestorben. Wenn der Richter diesen Vorwurf nicht gelten lasse, sei die Frau zu verurteilen, weil sie trotz der Atemnot des Säuglings unterlassen habe, Hilfe zu rufen.
Der Einzelrichter betonte aber in seiner Urteilsbegründung, gemäss den Rechtsmedizinern sei unklar, woran der Säugling gestorben sei. Es sei gut vorstellbar, dass der Säugling die Schädelbrüche erlitten habe, als er bereits tot in der Mulde herumgefahren oder als die Mulde auf der Deponie abgeladen wurde.
Der Richter zeigte auch Verständnis dafür, dass die junge Frau den Säugling nach dessen Tod nicht bestattet, sondern im Estrich aufbewahrt hatte. Nicht akzeptabel sei aber, dass sie ihn in die Mulde gelegt habe. «Das hätten Sie nicht tun dürfen», sagte der Richter, obwohl es sich um eine Spontanaktion gehandelt habe.
Der tote Säugling wurde 2012 im Gemeinschaftsgrab des Friedhofs Wimmis beigesetzt.