Wochenendlich in Altona

Der Westteil von Hamburg gibt genügend her für ein aussichtsreiches Wochenende.

Zwischen Fischen und Schiffen am Hafen in Altona. (Bild: Andreas Schneitter)

Der Westteil von Hamburg gibt genügend her für ein aussichtsreiches Wochenende.

Es gibt keinen besseren Ort für diesen Moment: Nach sechs Uhr morgens aus dem Club raus, in die Frühsonne blinzeln und mit den letzten Schritten, die man noch gehen kann, zum Fischmarkt runter. Dort gibts frischen Fisch zwischen trockenem Brot, Starkbier, grantigen Rock laut und live in der Ecke – und die Marktschreier, die so überzeugend sind, dass man ihnen die letzten Euros hinwirft: «Kauf doch den ganzen Aal, du Weichei!»

Der Fischmarkt unten am Hafen, seit 300 Jahren jeden Sonntagmorgen ein Routinebesuch vor dem Kirchgang, ist für einen Wochenendtrip nach Altona Pflicht geblieben. Altona ist der Westteil von Hamburg, nur wenige Gehminuten vom berühmt-berüchtigten St. Pauli entfernt, von der Szenenzone Schanzenviertel, von der Reeperbahn und den exzellenten Versackkneipen. Aber Altona, früher dänisch und eine eigene Stadt, bis sie 1937 unter den Nazis mit Hamburg vereint wurde, hat ein anderes Flair als die Partyzone zwischen Kiez und Sternschanze. In St. Pauli steht man an der Bar oder tanzt im Club, in Al­tona sitzt man im Café oder geht durch Grün und Gassen.

Kneipen und Cafés mit Stil und Charme gibt es zur Genüge, mittlerweile auch an der Grossen Bergstrasse, jahrelang ein trauriges Loch zwischen Reeperbahn und Bahnhof Altona, nun in der Umgestaltung. Hier hat vor einem Jahr das empfehlenswerte Klippkroog mit regionaler Kreativküche geöffnet: Lammkeule, Schellfisch, Kalbstafel mit Speckbohnen.

Hinter dem Bahnhof liegt der Stadtteil Ottensen, in den 1970er-Jahren Hort einer multikulturellen Künstlerszene, in den Achtzigern sanft aufgewertet. Geblieben sind die alten Handwerkshäuser aus dem 19. Jahrhundert mit ihren spitzen Ecken, die sich entlang kleiner, begrünter Gassen reihen. Schön spazieren kann man dort, in Cafés oder Parkanlagen sitzen ­bleiben, abends entweder in die Programm­kinos Zeise gehen oder im etablierten Konzert- und Kulturzentrum Fabrik abhängen.

Am prachtvollsten ist Altona jedoch in der Nähe des Hafens. Vom Altonaer ­Balkon in der Nähe des Rathauses hat ­man ­einen weitläufigen Blick auf die Hafen­anlage, die zweitgrösste Europas, und steigt man entlang des Elbufer-Wander­weges hinunter, vorbei an ­historischen Denkmälern, die die Entwicklung des ­Hafens dokumentieren, kann man entweder­ auf eines der neuen Büro­gebäude am Wasser steigen, das schiff­förmige Dockland, von dessen Dach man über die Hafenbecken bis hinüber zur Elbphilharmonie sieht, oder entlang des Elb-uferweges zum Elbstrand spazieren. Dort gibts selbst im Herbst noch offene Sandstrände und Buden mit Fisch und Bier.

Zurück gehts mit dem Linienschiff ab Övelgönne bis zum Fischmarkt, dort hinein in den Golem, eine der angesagtesten neuen Bars in Altona: schräge Musik, Kerzenflackern und Gin-Cocktails, von denen noch keiner gehört hat. Für Leute, die, so liest man, auch im Suff ihren Stil nicht verlieren.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.11.12

Nächster Artikel