Von Aufstiegen und Abstürzen und den unterschätzten Vorteilen des gemeinen Lifts.
Es scheint ein gutes Omen zu sein, aber wir freuen uns zu früh. Das Hotel Terrace, Hitchcock-like von einem Schwarm schwarzer Raben umkreist, liegt hoch über Engelberg. Ein Kasten von verblassender Grösse, der uns aus rein praktischen Gründen den Atem raubt: Wir müssen da hoch? So schwer bepackt? Aber eben, das gute Omen: Nachdem wir in letzter Sekunde zwei Monstern von Ratracks ausgewichen sind, die die winterlichen Strassen von Engelberg vom Schnee befreien (ohne Rücksicht auf Verluste, muss man sagen), entdecken wir hinter einer Biegung ein Loch im Berg. Grandios: Wir erreichen unser Zimmer via Höhlen- und Liftsystem.
Vom Einfahren zum Einlaufen
Mit dem glücklichen Aufwärtskommen ist es in der Folge aber leider vorbei. Auf dem Weg zum Titlis, unter dem es überall schampar steil ist (rot mit einer starken Tendenz zu schwarz), legen wir eine kurze Einfahr-Pause auf den blauen Pisten der Gerschnialp ein. Der Gedanke war gut, unsere Ausführung miserabel. Weil wir einen Wegweiser aus den 70er-Jahren übersehen und das sonst sehr empfehlenswerte Engelberg-App mit der Höhe und von meinen Skihandschuhen überfordert ist, wird aus dem Einfahren ein Einlaufen.
Der Wald ist winterlich-zauberhaft verschneit auf der Gerschnialp, aber mit einem Paar Ski auf den Schultern geht einem selbst dieser Winterzauber ziemlich auf die Nerven. Als wir die Piste endlich erreichen und uns von unseren zurückkehrenden Fähigkeiten überzeugt haben, möchten wir darum nur noch zurück zur Gondel. Und marschieren wieder (aus Gründen der Diskretion soll an dieser Stelle verschwiegen werden, dass wir an der Bergstation abermals Orientierungsprobleme hatten und noch einmal einen Hang hinaufstapften. Es sei den Lesern versichert: So kompliziert ist das Skigebiet nicht). Auch wenn es unwahrscheinlich tönt – aber wir schafften an diesem Nachmittag doch noch so viele Pistenkilometer, um den Après-Ski vor uns selber zu rechtfertigen. Bei diesem Programmpunkt hatten wir glücklicherweise keine Orientierungsprobleme mehr (war auch einfach: Es ging immer weiter abwärts).
Nach dem Schümli-Pflümli (den wir immer bestellen, um mindestens einmal im Winter das Wort «Schümli-Pflümli» sagen zu dürfen) im Restaurant Obertrübsee und dem ersten Bier gleich bei der Talstation (nach dem Bären-Lied waren wir schnell wieder weg) endete unsere Après-Ski-Tour und unser Abend im «Yucatan» gleich beim Bahnhof, dem Ort in Engelberg für die wahren Abstürze. Mein Gott, und dann war da auch noch Fasnacht. Wir wurden von einer Giraffe bedient, wurden mit Schuhcrème bemalt, mussten auf die Bänke steigen und schauten mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination zu unserem Nebentisch, wo ein Fasnächtler ein ganzes Tablett Zwetschgen-Lutz für sich bestellt hatte (wir begnügten uns mit Halbliter-Mojitos. So ein Ort ist das).
Kurz vor Mitternacht verliessen wir das Lokal. Und schlossen den Erfinder des Lifts in unsere stillen Gebete ein. Auf diesen Berg hätten wir es in dieser Nacht nicht mehr zu Fuss geschafft.
- Anzapfen: Im «Yucatan» am Bahnhof. Wo der Alkohol in Strömen fliesst.
- Anschauen: Das Bergpanorama und die Inder in Flipflops auf dem Titlis.
- Ausspannen: Hotel Terrace, das Hotel mit dem Lift.
- Ausgehen: Das Terrace hat auch eine Disco. Bequem per Lift zu erreichen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.02.13