Wochenendlich in Jerusalem

3000 Jahre in 48 Stunden: Eine Reise nach Jerusalem bietet eine Fülle an Geschichte.

Es werde Licht: In Jerusalem gehört natürlich auch die Grabeskirche zu den Sehenswürdigkeiten. (Bild: Oliver Schneitter)

3000 Jahre in 48 Stunden: Eine Reise nach Jerusalem bietet eine Fülle an Geschichte.

Um Jerusalem zu erfassen, bleiben manche ihr Leben lang. Ein Programm für zwei Nächte ist daher ein Kunststück, denn allein der Besuch der heiligen Stätten erfordert genügend Zeit. Also heisst es kombinieren, und das geht zum Beispiel mit dem neuen Tram durch die ganze Stadt. Einmal hin und her, und wir passieren die Mauern der Altstadt, wo Minarette und Kirchtürme hervorschielen, orthodoxe Juden steigen aus, Männer im Palästinenserschal ein.

Eine Endstation ist kurz vor dem palästinensischen Regierungssitz Ramallah, die andere im Westen auf Mount Herzl, wo die Grossen Israels ihre letzte Ruhe gefunden haben und an dessen Nordflanke sich das Holocaustmemorial Yad Vashem befindet. Am Ende der Jaffa Street steigen wir aus, am Kikar Zion, einem Platz voller Cafés und Bars, wo sich Englisch, Hebräisch und Arabisch vermischen. In der Neustadt Jerusalems kreuzen sich Ultra-Orthodoxe, die immer in Eile scheinen, mit Säkularen (in den Cafés sitzend) und chassidischen Juden, die zu religiösem Techno durch die Strasse hüpfen oder Gitarre spielen.

Neben den Hotels in der Altstadt steht es immer etwas im Abseits, aber das Balkonzimmer im trutzigen Scottish Guest House auf dem Hügel gegenüber der Mauern bietet ein Panorama zum Verlieben. Auch gut: Dahinter beginnt die German Colony mit der Ausgeh- und Shoppingmeile Emek Refaim. Die Gebäude bezeugen den deutschen Fachwerkbau der Jahrhundertwende, auch wenn sich nun israelische Upper-Class-Restaurants und Edel-Cafés breitgemacht haben.

Richtig orientalisch riechts und siehts ums Viertel Mahane Yehuda aus, mit dem Shuk, dem Markt, als Zentrum. Jetzt, um Pessach rum, stapeln sich in den Markt­theken die Pessachbrötchen, auf dem Platz davor werden Tefilin (Gebetsriemen) und rabbinische Predigten verkauft. Je näher der Abend kommt, desto lauter schreien die Verkäufer. Es lohnt sich, in die Cafés zwischen den Läden zu sitzen, einen chafouch gadol (süssen Cappuccino) zu schlürfen und dem Gewimmel zuzuschauen. Richtig reinhauen können wir später im Restaurant Chatzot nebenan. Am Abend sind die Marktstände zu, die Bars stellen Boxen raus und Livemusik spielt im Markt. Der Absacker folgt in der berlinesken Uganda-Bar, die Comic- und Plattenladen zugleich ist.

So halten wir durch bis zum Geheimtipp: Morgens um halb fünf in die Altstadt zur Grabeskirche, wenn sie geöffnet wird und noch keine Touristen da sind. Hier atmet man den Hauch der Jahrhunderte (und Weihrauch) ein. Was für eine andere Welt – nur 15 Minuten von den Bars der Neustadt entfernt. Der griechische Ritus ist gerade beendet, als wir in die Kapelle zum Jesusgrab runtersteigen und mit einem französischen Pfarrer und Ministranten eine kurze Morgenmesse halten können – um 5 Uhr morgens, am Heiligen Grab!

Den Morgenkaffee nehmen wir auf der versteckten Terrasse des Lutheran Guest House, wo der Felsendom von einem Muezzin beschallt wird. Wir nutzen die Gunst der Stunde für den Besuch des Heiligtums – ab 10 Uhr ist der Tempelberg meistens zu – und verlassen durch das monumentale Damascus Gate die Heilige Stadt.

  • Anbeissen: Restaurant Chatzot, Agrippas St. 123. Grillteller mit Saucen und Gemüse, darunter viel Scharfes!
  • Anschauen: Israel Museum (inkl. Schriftrollen von Qumran): täglich 10–17 Uhr, Di 16–21 Uhr. Ruppin Boulevard. Grabeskirche: Für Zeiten und Zeremonien bietet sich das Christian Information Center der Franziskaner an.
  • Ausspannen: St. Andrews Scottish Guest House, David Remez St.
  • Absacken: Uganda Bar, 4 Aristobolus Street.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

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