Wochenendlich in Lübeck

Süsser die Glocken nie klingen: Ein Abstecher in die Hauptstadt des Marzipans.

Märchenhaft: das Lübecker Holstentor. (Bild: Noëmi Kern)

Süsser die Glocken nie klingen: Ein Abstecher in die Hauptstadt des Marzipans.

Darf es mal etwas anderes sein als ein Besuch in den nordischen Grossstädten Hamburg oder Kopenhagen? Wie wärs mit Lübeck? Diese Hansestadt, 50 Zugminuten von Hamburg entfernt, strahlt gerade in der Vorweihnachtszeit etwas Besinnliches, ja Märchenhaftes aus. Und das schon vor den Toren der Stadt: Die Skyline ist geprägt von sieben Türmen aus rotem Backstein mit grünen Kupferdächern. Davor steht das Holstentor, stolzer Zeuge aus vergangenen Zeiten des Wohlstands, als Lübeck noch eine mächtige Hansestadt war. Wir folgen dem Flusslauf der Trave, vorbei an alten Salzspeichern und landen unverhofft im Fegefeuer. So heisst eine Strasse, die vom Lübecker Dom zur Innenstadt führt. Ein Weg namens Hölle zweigt davon ab und endet sinnigerweise in einer Sackgasse.

Schliesslich sind wir im historischen Stadtkern, der nach der Zerstörung durch britische Flieger im März 1942 wieder aufgebaut wurde und heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört – völlig zu Recht: Historische Riegelbauten, versteckte romantische Hinterhöfe und prächtige Herrenhäuser versprühen grossen Charme.

Eine Attraktion für sich ist das Geschäft des Marzipanherstellers Niederegger. Schon ein Blick in die Schaufenster, die dieses Jahr Märchenmotive wie «Die Sterntaler» und «Hänsel und Gretel» – natürlich aus Marzipan – zeigen, lohnt sich. Aber auch drinnen kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: süsse Dekorationen für die Weihnachtspäggli in allen Farben und Formen. Endgültig sprachlos wird man im Marzipan-Salon: Hier wird nicht nur die Geschichte dieser Süssigkeit sowie des Unternehmens Niederegger erzählt, es sind auch lebensgrosse Figuren aus Marzipan ausgestellt.

Wem noch das «Päggli» zum Verzieren fehlt, wird auf einem der Weihnachtsmärkte im historischen Zentrum fündig: Beim Rathaus fasziniert vor allem der mitteltalterliche Weihnachtsmarkt mit bardischen Sängern, Gauklern und warmen Getränken aus Tonbechern. Wen es dennoch fröstelt, wärmt sich an den offenen Feuerstellen. Diese Stadt ist wahrlich filmreif: Die «Buddenbrooks» wurden hier gedreht, der Schöpfer dieses Literaturklassikers kam in Lübeck zur Welt: Thomas Mann.
Wie mannigfaltig die Stadt ist, zeigt sich im Heiligen-Geist-Hospital: Hier kann man ausgestellte Kunstwerke von Handwerkern aus ganz Deutschland, Skandinavien, Grossbritannien und dem Baltikum bestaunen. Der Eintritt lohnt sich schon alleine des imposanten Gebäudes wegen.

Am Sonntag ist Lübeck Ausgangspunkt für eine Zugfahrt nach Travemünde, an die Ostsee. Im Sommer stehen hier Hunderte Strandkörbe Spalier. Im Winter ist der Strand leer und bedeckt von Algen. Das graue Meer verschmilzt am Horizont mit dem Himmel, es weht ein eisiger Wind. Klingt ungemütlich, doch strahlen gerade diese raue Stimmung und diese Einsamkeit etwas Faszinierendes aus. Zurück in Lübeck, steigen wir auf den Turm der Petrikirche. Der Blick über die weihnächtlich beleuchtete Stadt ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Highlight.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16/12/11

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