Wochenendlich in Murmansk

30 Greenpeace-Aktivisten drohen hier sieben Jahre Knast. Dabei ist schon ein Wochenende zu lang.

(Bild: Samuel Waldis)

30 Greenpeace-Aktivisten drohen hier sieben Jahre Knast. Dabei ist schon ein Wochenende zu lang.

Von Murmansk werden sie wenig sehen: 30 Greenpeaceaktivisten, darunter ein Schweizer, sitzen in der russischen Hafenstadt in Untersuchungshaft, nachdem sie eine Bohrinsel des Ölkonzerns Gazprom geentert hatten und des Rowdytums angeklagt wurden. Ihnen drohen sieben Jahre Gefängnis.

Man kann als freier Mensch auch nur für ein Wochenendenach Murmansk fahren – was jedoch umständlich ist. Flüge gibt es ab Basel wohl, sie dauern allerdings mindestens neun Stunden und sind nie direkt. Hat man andere Pläne, ist Murmansk am besten ab Sankt Petersburg in rund 30 Stunden per Zug zu erreichen. Die Reise ist dabei Mittel und Zweck zugleich, kommt man dem Russen doch scheinbar nirgendwo so nah wie im Zug, wo er Essen, Schlafabteil und Leben mit einem teilt.

Murmansk ist weder zeitlich noch sonst ein Wochenendausflug im strengen Sinn. Die über dem Polarkreis gelegene Stadt nahe der Grenze zu Norwegen und Finnland ist an Schönheit leicht zu überbieten und lädt nicht zum Flanieren ein.

Tut man das doch, kann es passieren, dass man am Strassenrand an einem verstorbenen Obdachlosen vorbeikommt – die Nächte sind kalt, vom Winter ganz zu schweigen. Man solle wegschauen und an etwas anderes denken, kommentiert die einheimische Begleitung.

Dominante Schifffahrt

Viele Männer sind während rund acht Monaten pro Jahr nicht in der Stadt sondern irgendwo auf See; entweder für die Industrie oder die russische Nordflotte, die in Murmansk stationiert ist. Die Schifffahrt dominiert das ganze Stadtbild: Eisbrecher, Frachtschiffe und Umladekräne allenthalben sowie ganze Quartiere, in denen nur Gastarbeiter wohnen. Diese nennt man in der russischen Umgangssprache Gastarbeiter. Praktisch, denn hier oben ist es nicht weit her mit Fremdsprachen – ein Wörterbuch ist Pflicht, ansonsten droht die Rückfahrt schon am Bahnschalter zu scheitern.

Zuvor ist der Besuch der 35 Meter hohen Betonstatue des Soldaten Alyosha Pflicht. Auch, weil dieser auf einem Hügel über die ganze Stadt wacht, von wo aus einem die Umgebung und die Industriedominanz vor Augen geführt werden. Bedrückend wirkt die Stadt, auch im täglichen Leben.

Beim Besuch eines Spitals kann es schon passieren, dass einem an der Rezeption ein Gläschen angeboten wird. Auch wenn sich die Angestellten im russischen Gesundheitswesen laut der Begleiterin branchenweit in den tiefsten Lohnklassen bewegen: Alkohol im Spital verwundert. Wenigstens sind die einstigen kleinen Spirituosengeschäfte an den Bushaltestellen abgeschafft und fast allesamt umgewandelt worden. In Blumenläden. Es gibt sie doch, Murmansks schöne Seiten.
 

  • Anbeissen: Restaurant Don Baton, Ulitsa Karla Libknekhta, 15
  • Anschauen: Die Hafenanlagen und die Betonstatue des Soldaten Alyosha: Mit 35 Metern ist das Monument aus dem Zweiten Weltkrieg nach der Mutter-Heimat-Statue in Wolgograd die zweitgrösste Statue Russlands.
  • Abliegen: Couchsurfing. Mit dem Vorteil, dass es günstig ist und man mit grosser Wahrscheinlichkeit jemanden trifft, der ein wenig Englisch versteht.

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