Wochenendlich in Stockholm

Auf den Spuren August Strindbergs lässt sich ganz Stockholm erwandern und erfahren.

(Bild: zVg)

Auf den Spuren August Strindbergs lässt sich ganz Stockholm erwandern und erfahren.

Sommertage in Stockholm überraschen Südländer mit grosszügigem Tagesangebot. Da läppert sich an einem Juli-Wochenende rasch ein ganzer Sonnentag zusammen. Zurzeit sind es immerhin noch zwei zusätzliche helle Stunden. Die kann man in der Abenddämmerung um 22 Uhr beim Aperitif draus­sen in der Bar des Södra Teatern verbringen. Oder in der Morgensonne um 4 Uhr im Bikini (mit Wolldecke) draussen im Saltsjöbad am Meer geniessen. Schwieriger ist es, bei so viel Licht seinen Schlafrhythmus nicht zu verlieren. Hotelzimmer ohne Fenster sind da gar nicht so abwegig. Aber wer will geschenktes Licht schon im Schlaf verbringen?

Das Strindberg-Jahr lockt. Also folgen wir den Spuren des grossen Schweden. Der Bus-Terminal liegt beim Zentralbahnhof, wo Strindberg bei seinem ersten Zensur-prozess von der Bevölkerung triumphal empfangen wurde. Seine Morgenpromenade führt durch die menschenleere Drottninggatan: «Der Morgen lässt unsere Sinne die Jugend wieder spüren.» Derart jung begegnet uns dort, was wir aus Luzern, Prag und London kennen: Hinterm Body-Shop links vom H&M kann man sich wie in jeder europäischen Stadt treffsicher verabreden. Nur im Zentralbad wird es einheimischer. Im Wannenbad sollten wir die Ruhe geniessen. Nicht unweit davon wartet nach der Olof-Palme-Gatan das «Intime Theater», das Uraufführungstheater vieler Strindberg-Stücke.

Der Touristenanteil schrumpft erst oben, am Ende der Drottninggatan. Dort darf man, in Strindbergs letzter Wohnung, etwas vom Lebensabend des unruhigen Geistes ahnen. Allein der Lift ist einen Gang durch das Museum wert. Klingeln! Zurück in der Altstadt, Gamla Stan, kreuzen wir wieder den Touristen-Korso. Schloss, Reichstag, alter Hafen und die engen Altstadtgassen liegen dicht an dicht.

Wer mit der Fähre hinüber in den Vergnügungspark fährt, kann endlich die Skyline sehen, die Stockholm den Titel «Venedig des Nordens» einbrachte. Im Djurgården öffnet sich der Sommerpark: Hier hat Strindberg sich versteckt, gearbeitet, und hier finden wir auch die eine oder andere Kneipe, in der er über die Liebe sang und über den Durst trank.

Wer das hippe Stockholm sucht, geht hinter Slussen den Götgatan entlang. Hier empfehlen sich die City-Bikes, die man vielerorts mieten kann. Etwas abseits, Richtung Nytorget, liegen die angesagten Ess- und Promenadenlokale. Unterhalb der Sofia-Kirche, am Vita Berget, kann man historische Vorstadt-Luft schnuppern: schrebergartenkleine Holzhäuser warten auf Pippi Langstrumpf. Nur wer noch weiter fährt, kann unter Schwedinnen gelangen: Neben dem Eriksdalbad finden Sie, unter der Autobahnbrücke, den Trädgården. Dort gibt es am Samstag Flohmarkt und fast jeden Abend Open-Air-Disco, hippe DJs und Live-Acts. Machen Sie lieber vor dem ersten Drink klar, wie Sie wieder nach Hause kommen.

Wer die historische Zeit, die Strindberg in «Das rote Zimmer» beschreibt, vergessen will, sollte noch etwas fürs Herz tun. Im Freiluftmuseum Skansen ist ja vielleicht der Singabend: Wenn da Tausende Stockholmer draussen sitzen und Musik hören und singen(!), da möchte man gerne patriotisch werden – fürs fremde Land.

  • Pillen: Als historische Impfung empfiehlt sich vor Reiseantritt «Das rote Zimmer» von August Strindberg.
  • Chillen: Im Trädgården: Disco, Live-Acts, www.tradgarden.com
  • Stillen: Angesagtes Essen für Klein und Gross um den Nytorget im Södermalm.
  • Grillen: Endstation Hässelby-Strand, Strandweg, Badeplatz.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.08.12

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