Wochenendlich in Wengen

Ein Skiwochenende in Wengen bietet alles, was das Herz begehrt: unzählige Pistenkilometer, ein Dutzend Schneebars, dörflichen Charme, herrliches Panorama – und viel frische Luft und Ruhe.

(Bild: zVg)

Ein Skiwochenende in Wengen bietet alles, was das Herz begehrt: unzählige Pistenkilometer, ein Dutzend Schneebars, dörflichen Charme, herrliches Panorama – und viel frische Luft und Ruhe.

Was hat Wengen mit Zermatt gemein? Weltbekannte Berge! Was fürs Wallis das Matterhorn, sind hier im Berner Oberland Eiger, Mönch und Jungfrau. Doch damit nicht genug: Wie Zermatt ist Wengen autofrei. Nur ein paar schmalgebaute Transportwagen fahren durchs beschauliche Dorf zum Bahnhof, wo alle Touristen ankommen. Zumindest jene, die überhaupt ankommen wollen.

Denn für organisierte Reisegruppen aus Asien liegt meist kein Zwischenhalt drin, sie fahren in einem Schwupp von Lauterbrunnen aufs Jungfraujoch und eine Stunde später wieder runter. Zack, «Top of Europe», und wieder weiter, nach Paris oder Venedig. Wir waren schon zig Mal in Wengen, aber noch nie auf dem Jungfraujoch. Den saftigen Betrag (163 Franken retour, 2. Klasse!) geben wir lieber fürs Skifahren aus.

Halligalli am Lauberhorn-Wochenende

Am vergangenen Wochenende waren 30’000 Menschen in Wengen – und dennoch gabs keine Schlange bei den Skiliften. Warum? Weil die meisten zu Fuss zur Lauberhorn-Abfahrt pilgerten. Jeweils im Januar lockt das Spektakel Schaulustige aus der ganzen Schweiz an. Man ist gut beraten, schon vor dem Samstag anzureisen. Und wer das Rennen sehen will, positioniert sich besser vor einer Grossleinwand. Denn am Pistenrand, so unsere Erkenntnis, sieht man die Fahrer nur zwei, drei Sekunden vorbeizischen. Manchen ist das eh egal, weil ihnen ebenso wichtig ist, dass das Bier zischt. Am Lauberhorn-Wochenende verwandelt sich Wengen in ein Halligalli-Zentrum mit Festzelt, Siegerehrung und dem ganzen Brimborium.

Der Charme des autofreien Bergdorfs

Dabei hat der Ort sonst eine Qualität zu bieten, die man in anderen Skiorten vermisst: Dorfcharme, Ruhe. Der Bauboom hielt sich hier in Grenzen, ebenso die Protzerei – vielleicht, weil Superreiche lieber dort bauen, wo sie auch ihren Lamborghini ausfahren können. Das Dorf, auf einer Sonnenterrasse gelegen, wo man oft auf den Nebel runterschauen kann, ist beschaulich geblieben, auch nicht so mondän wie Gstaad oder Zermatt – in unserem Lieblings-Pistenbeizchen Arvengaden gibts die Tagessuppe mit Schweinswurst für 10 Franken.

Wengen: eine britische Exklave?

Dennoch ist Wengen internationaler als kleinere Bergdörfer, ja, an manchen Tagen wird man den Eindruck nicht los, in einer britischen Exklave gelandet zu sein. Das ist historisch bedingt. Denn während die Berge für Einheimische grosse Gefahren symbolisierten (Lawinen, Stürme, Felsen, Eis), suchten englische Gäste im 19. Jahrhundert genau dort ihre sportlichen Herausforderungen – und etablierten sowohl in Grindelwald als auch in Wengen den Alpintourismus. Noch heute ist ein Verein in Wengen fest in britischer Hand: «Downhill Only», der englische Skiclub.

So ist es durchaus faszinierend, wie man in manchen Pubs (etwa der Rocks Bar, wo man kein wichtiges Premier-League-Fussballspiel verpassen muss) oder Skivermietungen von den Serviceleuten «british» angesprochen wird, während man in der Bäckerei in breitem Oberländer Dialekt bedient wird. Seit Jahrzehnten kommen die beiden Mentalitäten gut miteinander aus. Entsprechend ist auch das Ausgehangebot ausgerichtet: Man geht abends eher in ein Pub als in eine Disco.

Mit dem Skistarzirkus verabschiedet sich nach dem Lauberhornrennen auch das grosse Halligalli. Und Wengen kann sich wieder ganz «gentle» auf seine Stärken besinnen: das gewaltige Panorama mit den Viertausendern (darunter die Nebeldecke), die kilometerlangen Pisten zwischen Männlichen, Scheidegg und Eigergletscher. Und sollte das Wetter mal nicht ganz so sonnig sein, empfiehlt sich ein Schlitteltag (auf Grindelwaldner Seite lockt gar «die längste Schlittelfahrt der Welt») oder ein Entspannungstreatment im Wellness- und Solbadbereich des Hotels Victoria-Lauberhorn.

Wem das Dorf nun fast zu ruhig ist, dem sei gesagt: Après-Ski und Sonnenterrassen gibts in den zahlreichen Schneebars, in denen man bei der eigenen Lauberhorn-Abfahrt ins Dorf einen Zwischenstopp einlegen kann. Das Rasen soll man aber den Profis überlassen, schliesslich will man am Ende wieder mit der Bahn ins Unterland – und nicht mit dem Helikopter.

  • Abfahren: Die Lauberhornstrecke natürlich! Vom Starthäuschen über den Hundschopf bis zum Haneggschuss.
  • Anbeissen: Auf der Piste – im «Arvengaden» isst man gut und günstig.
  • Ausspannen: Bei schönem Wetter: In einem Liegestuhl auf dem Männlichen. Bei fiesem Wetter: Im Wellness-Bereich des Hotels Victoria-Lauberhorn.
  • Ausruhen: In einem alten Hotel wie dem Jugendstilhaus «Belvedere» in Wengen. Oder im «Bellevue des Alpes» auf der Kleinen Scheidegg, das Bergsteigern seit 1840 als Ausgangspunkt dient. Sieht aus wie das Hotel in «Shining». Und ist selber filmerfahren durch Philipp Stölzls Berg­steiger-Drama «Nordwand» (2008). Geheimtipp: Das kleine Chalet «Weidhaus Yeti», am Dorfrand. Mit Freiluft-Badewanne, für Romantiker!
  • Anstossen: In einer der zahlreichen Après-Ski-Bars auf der Piste. Am lautesten: die hart rockende Startbar beim Lauberhorn, ein Muss für AC/DC-Fans!

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