Wochenendlich in Zermatt

Zermatt ist reich und spektakulär – und erlaubt Bergferien wie vor hundert Jahren.

Die Alp Findeln unterhalb Sunnega (Bild: Valentin Kimstedt)

Zermatt ist reich und spektakulär – und erlaubt Bergferien wie vor hundert Jahren.

Für Zermatt braucht man nicht zu werben. Es liegt am schönsten Berg Europas, dem Matterhorn, das wie ein felsgewordener Fürst über dem Tal ruht und Audienz hält mit den Zahlungskräftigen dieser Welt. Das Skigebiet reicht bis 4000 Meter, führt über Gletscher, und Eingeweihte sagen: Einmal Zermatt, immer Zermatt. Aber will man das? Die Bahnhofstrasse säumen Uhrenläden, der «Zermatterhof» beansprucht den zentralen Platz, Moon Boots aus Echtfell wandeln in Parfumwolken.

Ja, wer kann, der will. Zermatt hat es geschafft, Seele zu bewahren. Es ist kein Reichen-Ghetto wie St. Moritz. Der Ski­zirkus ist eher diskret glamourös als ordinär. Die Überbauung des Tals hält sich überwiegend diesseits der Bausünde. Und das Autoverbot (man hat diese Zustände schon vergessen) macht den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Sympathisch dreist fahren kleine E-Taxis durch die Gassen, die mit Fussgängerbreite erfreuen.

Frei herausgesprochen: Wir haben voll mitgemacht und im «Monte Rosa» logiert. Biedermeiermöbel im Salon, Kupferstiche auf den Gängen, im Speisesaal hängen Lüster aus dem Stuck. Seit Kurzem wird das Haus wieder durch einen Nachfahren von Alexander Seiler geführt, der es vor 160 Jahren eröffnete. Mithin wichtigstes Mobiliar: Mario Lopes ist seit 23 Jahren Chef de Service und weiss, was gute Form heisst. Eine Wellnesslandschaft hat in diesem Haus mit seinen Winkeln und niedrigen Decken keinen Platz, dafür das ganze Flair der Schweizer Hoteltradition.

Anderntags spazieren wir los. Auf den gut unterhaltenen Wegen kommt man auch im Winter recht weit. Die Route führt in legeren Serpentinen dem Matterhorn in die Arme hin zum Weiler Zmutt, einem Häuflein aus Holzhäusern und einer winzigen Kapelle, die sich auf einem Hügel zusammendrängen. Die Terrasse des zünftigen Restaurants Jägerstube verlässt man nur, wenn es unbedingt sein muss. Es gibt immer noch eine letzte Ovi.

Tags darauf könnte man skifahren – oder sich zum Fantasiepreis von 74 Franken in eine Zahnradbahn setzen: Eine halbe Stunde geht die Fahrt auf den Gleisen, die vor über hundert Jahren gelegt wurden. Immer surrealer wird es, sich in der Eisenbahn höher und höher Richtung Gornergrat zu schrauben.

Auf 3200 Metern ist Schluss, etwas kurzatmig wanken wir vom Gleis und schwelgen rundum im Anblick der höchsten und schönsten Alpen. Die Wanderung wieder hinab sucht ihresgleichen; bei leichtem Gefälle schwebt man über den Dingen. Auf der Halbzeit ist eine Einkehr im Restaurant Riffelberg unvermeidbar. Exquisit wäre wahrscheinlich, hier zu übernachten … zugegeben, schon wieder ein historischer Ort. Daher nehmen wir zurück im Tal das Café und Restaurant Sonnmatten wahr, ein moderner Bau im Winkelmattenquartier.

Wieder viel Schickeria, aber der Wirt grüsst seine Stammgäste mit Handschlag. Hier malocht auch Mario aus Berlin, als Kellner. «Die Luft ist schon Bombe», sagt er. Wie wahr. Und befriedet in Herz und Lunge fahren wir heim.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13

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