Niemals zuvor in diesem Jahr haben so viele Menschen versucht, illegal über die Südgrenze in die Schweiz einzureisen wie in der vergangenen Woche. Von den 1767 Aufgegriffenen, die zu rund der Hälfte aus Eritrea stammten, wurden 1184 wieder an Italien überwiesen.
Die Zahl der an Italien zurückgewiesenen Personen lag in der Zeit zwischen dem 8. und 14. August auf dem zweithöchsten Stand in diesem Jahr – der Rekordwert wurde in der Vorwoche mit 1275 Menschen erzielt. Nach Italien kann die Schweiz die illegal Eingereisten zurückweisen, weil die beiden Staaten ein Rückübernahmeabkommen abgeschlossen haben.
Zurückgewiesen wird, wer keinen gültigen Ausweis und kein Visum vorweisen kann und in der Schweiz kein Asyl beantragen will. Weitere Gründe sind zu wenig Geld für einen Aufenthalt in der Schweiz, ein Landesverweis oder laut Ausländergesetz «eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die internationalen Beziehungen der Schweiz».
Gestrandet am Comer See
Seit Mitte Juli sind hunderte Migranten in der norditalienischen Grenzstadt Como gestrandet. Sie biwakieren in der Nähe des Bahnhofs und werden von Freiwilligen aus Italien und dem Tessin mit Essen versorgt. Vielfach warten sie auf eine Gelegenheit, die Schweiz zu durchqueren, um nach Deutschland oder Skandinavien zu gelangen.
Die Situation vor Ort sei sehr schwierig, sagte Lisa Bosia Mirra von der Associazione Firdaus am Montag auf Anfrage. Die Organisation wurde vor zwei Jahren von der Tessiner Kantonsrätin gegründet und hilft aktuell in Como mit Lebensmitteln.
Bosia seien mehrere Fälle bekannt, in denen Minderjährige an der Schweizer Grenze abgewiesen wurden, obwohl sie Dokumente von Angehörigen in der Schweiz vorlegen konnten. Die Menschen im Bahnhofspark seien vielfach verzweifelt und fühlten sich in einer ausweglosen Situation, erklärte Bosia.
Amnesty International kritisierte inzwischen die vielen Rückweisungen nach Italien: «Wir sind besorgt über Berichte von Minderjährigen, die nach eigenen Angaben an der Schweizer Grenze wieder nach Italien zurückgeschickt wurden und an der Weiterreise zu ihren Familienangehörigen in der Schweiz gehindert wurden», sagte AI der Nachrichtenagentur Reuters. Auch die Tessiner SP-Nationalrätin Marina Carobbio forderte am Montag im «Echo der Zeit» des Schweizer Radios SRF, dass die Schweiz humanitäre Hilfe im grenznahen Como leisten müsse.
Temporäres Zentrum geplant
Am vergangenen Mittwoch stellte der Tessiner Regierungsrat Norman Gobbi in Chiasso den Medien Pläne für ein temporäres Zentrum für Wegzuweisende in Rancate bei Mendrisio vor, für das der Kanton Geld vom Bund erhält. Diese Einrichtung in einem Industriegebiet soll Ende August bereit sein und Zivilschutzanlagen ersetzen, die bisher zu diesem Zweck genutzt wurden.
Der Kanton reagiert mit diesen bereits Anfang August angekündigten Plänen auf die steigende Zahl von illegal Eingereisten. Das Zentrum soll die Verfahren vereinfachen, und es ist laut den Behörden auch für unbegleitete Minderjährige gerüstet.