In der Schweiz ist die Zahl orthopädischer Operationen gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) stark gestiegen. So nahmen die Hüftprothesen-Operationen zwischen 2003 und 2012 um 31 Prozent zu. Streng genommen wäre keine einzige Operation medizinisch notwendig gewesen.
Dies deshalb, weil man an Arthrose nicht stirbt. Das sagte der Zürcher Orthopädie-Professor Claudio Dora der Nachrichtenagentur sda. Dora ist Mitglied des Vorstands von Swiss Orthopaedics, dem Verband der Orthopäden.
Lebensqualität zentral
Auch wenn es sich bei einer Hüft- oder Knieprothese nicht um eine lebensverlängernde Massnahme handelt, gibt es dennoch Gründe für eine Operation. So verbessere eine solche die Lebensqualität der Patienten massiv. Dies wiederum führe dazu, dass ein Patient allgemein psychisch und physisch gesünder sei.
Gemäss den BfS-Zahlen, die es im Auftrag des Internet-Vergleichsdienst Comparis erarbeitet hat, haben sich die Anzahl stationärer Behandlungen wegen Knieprothesen-Operationen zwischen 2003 und 2012 beinahe verdoppelt. Bei den Wirbelkörperverblockungen um Rücken gab es eine Zunahme um 80 Prozent.
Dora sieht für diese Zunahme gleich mehrere Gründe. Bei einer zunehmend alternden Bevölkerung gebe es mehr Abnützungen im Bewegungsapparat. Zugleich seien die Älteren körperlich deutlich aktiver als früher, weshalb sich Abnützungen mehr manifestierten und die Lebensqualität einschränkten.
Weniger Schmerzmittel
Früher hätten die Patienten eher zu Schmerzmitteln gegriffen, als sich operieren zu lassen. Inzwischen seien die Patienten gegenüber Schmerzmitteln deutlich kritischer eingestellt. Auch spiele der heutige «Lifestyle» eine Rolle. So wollten auch viele jüngere Patienten nicht mit einer Operation zuwarten.
In den vergangenen Jahren habe sich die Qualität der Operationen stark verbessert. «Viele Patienten kennen aus ihrem Umfeld positive Prothesen-Fälle und haben keine Angst mehr vor einer solchen Operation», sagte Dora. Der Spitalverband H+ führt daneben die deutlich längere Lebensdauer von Prothesen an.
Unnötige Operationen
Comparis erhob indes den Vorwurf, es würden unnötige Operationen durchgeführt. Der Internet-Vergleichsdienst beruft sich dabei auf eine in ihrem Auftrag durchgeführte Umfrage im Juni unter 350 Ärzten und Pflegekräften aus dem OP-Bereich.
Demnach gaben 18 Prozent der Ärzte und 24 der befragten Pflegekräfte an, «dass manche Operationen aus medizinischer Sicht nicht notwendig gewesen wären». Viele Operationen würden aus wirtschaftlichen nicht aus medizinischen Gründen durchgeführt.
Dora kritisierte die Umfrage: Ein Pfleger oder gar ein Anästhesist sei kaum in der Lage, zu beurteilen, ob eine OP notwendig sei.
Dora räumte aber ein, dass es unnötige OPs gibt. Neben dem wirtschaftlichen Druck gibt es weitere Gründe: Unwissen und zu viele Orthopäden. Letzteres versucht der Verband mittels einer Beschränkung der Ausbildungsplätze zu steuern. Gegen Unwissen sollen Selbsttests der Ärzte helfen.
Ein Arzt dürfe einem Patienten nicht schaden.«Ein Arzt, der wissentlich unnötig operiert, verstösst gegen den hippokratischen Eid», sagte Dora.