Eine Woche nach der Rückeroberung der IS-Hochburg Falludscha durch die irakische Armee hat die Terrormiliz IS in Bagdad den schwersten Anschlag seit Monaten verübt: Im Zentrum der Stadt tötete ein Selbstmordattentäter in der Nacht zum Sonntag mindestens 119 Menschen.
Mehr als 140 weitere Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt. Der Sprengsatz explodierte in dem belebten Geschäftsviertel Karrada, wo wegen der bevorstehenden Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan viele Menschen ihre Einkäufe erledigten.
Mehrere Gebäude wurden schwerbeschädigt und stürzten teilweise ein, darunter auch ein Einkaufszentrum, das das Ziel des Selbstmordanschlags gewesen sein soll. Ein weiterer Sprengsatz detonierte laut Polizeikreisen auf einem Markt im Schiiten-Viertel Al-Shaab im Norden der Stadt. Dort habe es mindestens zwei Tote gegeben.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) erklärte laut dem auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierten US-Unternehmen Site, der Selbstmordanschlag im Karrada-Viertel habe sich gegen Schiiten gerichtet. Die fundamentalistisch-sunnitische IS-Miliz verübt immer wieder Anschläge auf Zivilisten in Bagdad und anderen irakischen Städten.
Am Anschlagsort waren zahlreiche Helfer im Einsatz. Männer bargen zwei Leichen aus einem brennenden Gebäude. Feuerwehrleute löschten den Brand, der sich durch die Detonation entzündet hatte. Überall lagen Trümmerteile herum.
Der UNO-Gesandte Jan Kubich verurteilte die «feige und abscheuliche Tat von beispiellosem Ausmass». Auch das US-Präsidialamt verurteilte die Anschläge und teilte mit, die USA seien nun umso entschlossener, den Irak im Kampf gegen die IS-Miliz zu unterstützen.
Wut richtet sich gegen Regierung
Ministerpräsident Haidar al-Abadi besuchte den Anschlagsort und versprach nach Angaben seines Büros, die für die Tat Verantwortlichen würden «bestraft». Wegen der Wut der Anwohner zog er sich jedoch schnell wieder zurück, wie die unabhängige Webseite Alsumaria News berichtete.
In einem im Internet verbreiteten Video waren Bürger zu sehen, die ihrem Ärger über Unfähigkeit der Regierung Luft machten, derartige Taten zu verhindern. Sie warfen Steine auf einen Autokonvoi, in dem sich den Angaben zufolge Abadi befand.
Die IS-Miliz hatte 2014 die Kontrolle über weite Teile des Irak übernommen. In der Folge ging die Zahl der Anschläge in Bagdad zurück – offenbar konzentrierten sich die Dschihadisten auf ihre Gebiete nördlich und westlich der Hauptstadt.
Zuletzt verlor die IS-Miliz aber einige Gebiete wieder, vor einer Woche eroberte die irakische Armee auch die Stadt Falludscha 50 Kilometer westlich von Bagdad zurück. Die Regierung feierte die Rückeroberung der Stadt als grossen Erfolg.
Kommandanten getötet
Die Eroberung von Falludscha war von US-gestützten Luftangriffen unterstützt worden. Am Freitag verkündeten die USA zudem die Tötung zweier IS-Kommandanten im Irak. Diese seien bei einem Luftangriff nahe Mossul getötet worden, der letzten noch vom IS kontrollierten irakischen Grossstadt. Die irakischen Truppen und ihre Verbündeten konzentrieren sich derzeit auf die Befreiung von Mossul.
Der Anschlag vom Sonntag im Karrada-Viertel ist der bislang blutigste Anschlag in Bagdad in diesem Jahr. Er ist zudem der erste grössere Angriff der IS-Miliz in der irakischen Hauptstadt, seit bei einem Doppelanschlag am 17. Mai fast 50 Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt wurden.
Wegen der unzähligen Fahrzeuge, die täglich die Stadtgrenzen von Bagdad passieren, sind solche Anschläge kaum vermeidbar. Hinzu kommt, dass die Sicherheitskräfte noch immer nicht funktionierende Bombendetektoren verwenden, die ein britischer Geschäftsmann einst an den Irak verkaufte.