Wieso machten zwei menschenfressende Löwen vor knapp 120 Jahren in Kenia Jagd auf Dutzende Bahnarbeiter? Statt einem Mangel an alternativer Beute haben Forscher aus den USA einen anderen Grund ausgemacht.
Das Grauen ging um vor knapp 120 Jahren in den Lagern der Gleisarbeiter für die Uganda-Bahn im Südosten des heutigen Kenias: Mehrere Dutzend Menschen wurden dort 1898 binnen weniger Monate von zwei menschenfressenden Löwenmännchen getötet. Erst der britische Oberstleutnant John Patterson konnte die «Löwen von Tsavo» erlegen.
28 bis 135 Menschen sollen dem Duo nach unterschiedlichen Quellen zum Opfer gefallen sein. Doch was trieb die Tiere dazu, sich auf die ungewöhnliche Beute Mensch zu konzentrieren? Sogar Hollywood nahm sich der Geschichte vor einigen Jahren an – im Actionfilm «Der Geist und die Dunkelheit» mit Val Kilmer und Michael Douglas in den Hauptrollen.
US-Forscher sind sich nun, mehr als ein Jahrhundert nach den Vorfällen am Fluss Tsavo, sicher: Statt wie bisher weitläufig angenommen waren die Attacken nicht der letzte Ausweg aus der Nahrungsmittelknappheit in der Region, sondern die einfachste Lösung für ein Problem, mit dem zumindest einer der Löwen zu kämpfen hatte: Zahnschmerzen.
Normales Jagen nicht mehr möglich
Analysen der Gebisse der beiden Tiere, die heute ausgestopft im Field Museum of Natural History in Chicago zu sehen sind, wiesen darauf hin, berichten Larisa DeSantis von der Vanderbilt University in Nashville und Bruce Patterson vom Field Museum in den «Scientific Reports».
Zusätzlich wurde ein dritter Löwe, der 1991 mindestens sechs Menschen in Sambia gefressen haben soll, untersucht. Auch bei ihm wurden Probleme im Gebiss festgestellt, so wie auch bei mehreren ähnlichen Fällen mit getöteten Menschen, die es mit Tigern und Leoparden in Indien gab.
Bei einem der Tsavo-Löwen, der deutlich mehr Angriffe auf Menschen als sein Jagdgefährte verübt haben soll, wurde eine Wurzelentzündung entdeckt, die normales Jagen unmöglich gemacht habe, erklärten die Forscher. Attacken auf weitgehend wehrlose und weich zu beissende Menschen seien für ihn deutlich angenehmer gewesen.
Mit speziellen Methoden fanden die Forscher zudem heraus, wovon sich die Tiere in den Tagen und Wochen vor ihrem Tod noch ernährten. Der zweite Tsavo-Löwe habe gesündere Zähne gehabt und auch Zebras sowie Büffel und dafür weniger Menschen gejagt und gefressen, erklären die Forscher. Dies spreche gegen Nahrungsknappheit als Grund für die Attacken auf die Gleisarbeiter.