Zeugen: Pistorius war in der Tatnacht völlig verzweifelt

Im Mordprozess gegen Oscar Pistorius schildern Nachbarn den Angeklagten in den dramatischen Stunden der Tatnacht als verzweifelt und tief aufgewühlt. Der spektakuläre Indizienprozess erreicht nach 26 Verhandlungstagen langsam die Endphase.

Pistorius vor Gericht - ihm droht eine lebenslange Strafe (Bild: sda)

Im Mordprozess gegen Oscar Pistorius schildern Nachbarn den Angeklagten in den dramatischen Stunden der Tatnacht als verzweifelt und tief aufgewühlt. Der spektakuläre Indizienprozess erreicht nach 26 Verhandlungstagen langsam die Endphase.

Oscar Pistorius war nach Zeugenaussagen in der Tatnacht ein am Boden zerstörter Mann. Ein Nachbar des südafrikanischen Profisportlers, Johan Stander, berichtete am Montag vor dem Gericht in Pretoria über den aufgeregten Anruf in den Morgenstunden des 14. Februar 2013:

«Bitte kommen Sie zu meinem Haus. Ich habe Reeva erschossen. Ich dachte, sie sei ein Einbrecher. Bitte kommen Sie schnell», habe Pistorius gesagt, so Stander. Er und seine Tochter Carice Viljoen waren die ersten, die nach den tödlichen Schüssen das Haus von Pistorius betraten.

Der 27-jährige ist angeklagt, in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp ermordet zu haben. Der Profisportler hatte durch die verschlossene Toilettentür seine 29 Jahre alte Freundin erschossen. Der unterschenkelamputierte Pistorius beteuert, er sei in Panik gewesen und habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet.

«Wir sahen Oscar, wie er die Treppe herunterstieg mit der jungen Frau in seinen Armen… Sie blutete. Sie hatte eine Kopfwunde», berichtete der Ex-Manager der Wohnanlage Silverwoods, in der sich auch das Haus von Pistorius befindet. Beide wohnten damals etwa 450 Meter voneinander entfernt.

«Völlig gebrochener» Mann

Pistorius habe wie ein «völlig gebrochener» Mann gewirkt. «Bleib bei mir, meine Liebe, bleib bei mir», habe Pistorius weinend gestammelt. Im Gesicht von Pistorius habe man die «vollkommene Verzweiflung» lesen können.

«Er schrie, er weinte, er betete», schilderte der Zeuge der Verteidigung den Zustand von Pistorius. Nach seiner Schilderung war die Erschütterung des Sportlers über den Tod seiner Freundin echt: «Wie er Gott angefleht hat, dass sie am Leben bleibe», erinnerte er sich vor dem Gericht . «Ich habe die Wahrheit gesehen an diesem Morgen, ich sah es und fühlte es», sagte er.

Auch Standers Tochter berichtete, dass Pistorius ausser sich gewesen sei. Er habe nur gewollt, dass die blutende Freundin rasch in ein Spital gebracht werde. «Er bettelte darum, dass ich sie in meinem Wagen zum Spital fahre», schilderte Carice Viljoen das Geschehen. Ihr Vater habe dann telefonisch einen Notarztwagen gerufen.

Der Prozess gegen den südafrikanischen Paralympics-Star war am Montag nach zehn Tagen Unterbrechung wieder aufgenommen worden. Der 26. Verhandlungstag wurde aber am Mittag beendet, weil Zeugen der Verteidigung erst wieder am Dienstag zur Verfügung stehen sollten.

Ein Ende des Prozesses in Pretoria wird frühestens für Mitte Mai erwartet. Bei einem Schuldspruch wegen Mordes droht Pistorius eine lebenslange Strafe. Aber auch für fahrlässige Tötung kann es bis zu 15 Jahre Gefängnis geben.

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