In St. Gallen droht der Wind nach dem 0:7 gegen den FCB zu drehen. Trainer Joe Zinnbauer rückte angesichts der Ergebniskrise bereits von seiner Philosophie ab.
Dass der FC St. Gallen in dieser Saison zwei Gesichter hat, war schon vor dem 0:7 gegen Basel bekannt. Bisweilen zeigten sich die St. Galler von ihrer schönen, ja sogar sehr schönen Seite wie etwa beim 2:1 im Heimspiel gegen den FC Basel im November. Dann aber wieder von der schwachen – wie am Sonntag gegen den selben Gegner.
Bei der historischen 0:7-Heim-Niederlage offenbarte sich, wie labil das Konstrukt ist, das Trainer Joe Zinnbauer in St. Gallen formte. Potenzial ist in der im letzten Sommer neu formierten Mannschaft zweifellos vorhanden, das hat sie schon einige Male angedeutet. Nicht aus dem Nichts kletterte sie im Februar auf den 4. Platz und liebäugelte mit dem internationalen Geschäft. Die Philosophie eines technischen, von viel Ballbesitz geprägten Spiels könnte attraktiv sein für die Zuschauer. Sie kann aber auch grandios Scheitern, in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus.
Das droht beim FC St. Gallen. Die Ostschweizer verloren am Sonntag zum fünften Mal in den letzten sechs Spielen. Sie manövrierten sich in eine veritable Krise, spielen plötzlich ängstlich und verkrampft. Sie verloren im April die wegweisenden Spiele gegen Vaduz (0:3) und Zürich (0:4) klar. Und nun kassierten sie gegen den FC Basel, gegen den sie zuvor oft eine gute Falle gemacht hatten, ein 0:7. Die Fankurve quittierte die Demütigung mit einem erbarmungslosen Pfeifkonzert.
Allmählich gerät Trainer Zinnbauer ins Grübeln. «Es ist eine unangenehme Zeit», gesteht er. Angesichts der Ergebniskrise rückte er jüngst von seiner Philosophie ab. In Sitten führte die neue Defensivtaktik zum Punktgewinn nach vier Niederlagen (1:1). Zu Hause mündete sie im Debakel gegen den FCB. In der ersten Halbzeit hielt die Abwehr bis auf wenige Ausnahmen dicht und konnten die St. Galler «einige Nadelstiche setzen», befand Zinnbauer. «In der zweiten Halbzeit verloren wir den Faden komplett.»
Statt auf die Europa-League-Ränge schielen sie in St. Gallen plötzlich nach unten. Schlimmstenfalls droht der Abstiegskampf. Der Vorsprung auf Lugano auf dem vorletzten Platz ist auf vier Punkte geschmolzen, Schlusslicht Vaduz liegt sieben Zähler zurück – noch nicht alarmierend, aber unter den eigenen Erwartungen.
Noch geniesst der Trainer das Vertrauen. Dölf Früh, der Präsident, wollte nach dem Schlusspfiff gegen den FCB zwar keine Auskunft geben – er winkte ab -, doch dem Vernehmen nach steht der Trainer nicht zur Diskussion, zumal Früh nicht für vorschnelle Trainerwechsel bekannt ist. Sollte sich der Sinkflug aber in den kommenden Wochen fortsetzen, könnte Zinnbauer im Sommer hinterfragt werden.