Kopie oder Original? Die letztes Jahr gegründete Zürcher Mona Lisa Foundation hat am Donnerstag in Genf angebliche Beweise vorgelegt, dass die sogenannte „Isleworth Mona Lisa“ keine Kopie, sondern die Urfassung von Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde ist.
Der angekündigte Stargast, der russische Schachgrossmeister und Parlamentarier Anatoli Karpow, liess sich entschuldigen: Politische Geschäfte verhinderten seine Teilnahme, hiess es. Auch Carlo Pedretti vom Armand Hammer Center for Leonardo Studies der University of California konnte nicht nach Genf reisen.
Zuerst per Dokumentarfilm und anschliessend live wurden die Erkenntnisse vorgestellt, die Kunstexperten, Physiker und Forensiker während zehn Jahren Arbeit an der „Früheren Mona Lisa“ gesammelt haben. Dazu wurde den anwesenden Medienvertretern wärmstens die zugehörige Buchveröffentlichung „Mona Lisa: Leonardo’s Earlier Version“ empfohlen.
Die gleiche Frau
Das Argument von Kunsthistorikern, dass der Hintergrund der angeblich 1503 entstandenen „Isleworth Mona Lisa“ dilettantisch ausgeführt sei, wurde damit entkräftet, dass das Gemälde im Gegensatz zur Louvre-Version von 1517 unvollendet sei.
Der beim FBI ausgebildete forensische Künstler Joe Mullins behauptete ausserdem, nachgewiesen zu haben, dass das Modell der früheren „Mona Lisa“, tatsächlich dieselbe Physiognomie habe wie die spätere, nur 12-13 Jahre jünger. Die Gioconda hätte da Vinci demnach zwei Mal Modell gesessen.
Mullins benutzte zur Nachstellung des Alterungsprozesses ein digitales Programm, wie es auch bei lang verschollenen Entführungsopfern verwendet wird.
„Überwältigende Beweise“
Weitere Redner führten in der auf der stiftungseigenen Homepage live übertragenen Veranstaltung geometrische Ähnlichkeiten an, die in dieser Genauigkeit mit den technischen Möglichkeiten von damals schlicht nicht möglich gewesen wären. Andere zitierten Zeitgenossen von da Vinci, welche das Bild schon 1503 im Atelier des Malers gesehen haben wollen.
Die Beweise, dass die im Besitz eines internationalen Konsortiums befindliche „Isleworth Mona Lisa“ authentisch und die von da Vinci persönlich gemalte frühere Version sei, seien „überwältigend“ sagte der Anwalt Markus Frey, Präsident der Mona Lisa Foundation. Allerdings sei jeder frei, anderer Meinung zu sein.
Gemäss Handelsregistereintrag wurde die Mona Lisa Foundation im Juli 2011 gegründet mit dem ausschliesslichen Zweck, zu beweisen, „dass Leonardo da Vinci zwei Versionen des Portraits ‚Mona Lisa‘ erschuf, und die Förderung der kunsthistorisch-wissenschaftlichen Erforschung und vergleichender Studien der früheren Version des Portraits, welche als ‚The Isleworth Mona Lisa‘ bekannt wurde“.
Erhebliche Zweifel
Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es erhebliche Zweifel an der Echtheit der „früheren Mona Lisa“ gegeben. „Es gibt keinerlei Grundlage zu behaupten, dass dieses Bild ein Original von da Vinci ist“, sagte der emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Universität von Oxford, Martin Kemp, der Nachrichtenagentur dpa.
Viele Details würden darauf hinweisen, dass keinesfalls beide Bilder aus der Hand des Meisters entstanden seien. „Die Haare, die Struktur ihrer Hände, der durchscheinende Stoff ihres Kleides, die Atmosphäre der Landschaft – alles ist völlig anders“, sagte Kemp.